Mars Express untersucht den Nordpol des Mars

Am Freitag veröffentlichte Aufnahmen der Raumsonde Mars Express zeigen die nördliche Polarkappe des Mars. Diese Region soll in den kommenden zwei Monaten durch das MARSIS-Radarinstrument an Bord der Raumsonde ausführlicher untersucht werden.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: FU Berlin, ESA.

NASA, MGS, MOLA Science Team
Eine topografische Karte der Nordpolregion des Mars. Der durch die HRSC-Kamera abgebildete Bereich ist umrahmt.
(Bild: NASA, MGS, MOLA Science Team)

Am 17. Mai 2010 überflog die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express während ihres Orbits Nummer 8.160 den Nordpol unseres Nachbarplaneten und bildete dabei mit der High Resolution Stereo Camera (HRSC) einen Teil der dort erkennbaren Oberflächenstrukturen ab. Die HRSC-Kamera wird vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betrieben und ist eines von sieben wissenschaftlichen Instrumenten an Bord der Raumsonde Mars Express.
Wie auch auf der Erde, sind die Polarregionen des Mars mit Polarkappen bedeckt, welche sich während der Wintermonate in Richtung Äquator ausdehnen. Die Stärke dieser Eisschichten und ihre jeweilige Ausdehnung in Richtung des Äquators unterliegt jahreszeitlichen Zyklen, welche sich von der Erde aus bereits mit kleineren Teleskopen beobachten lassen.

Die beiden Polarkappen des Mars setzen sich aus Wassereis zusammen und sind zusätzlich mit mehreren Schichten aus gefrorenem Kohlendioxid und Staub bedeckt. Bedingt durch den erfolgenden Temperaturanstieg sublimiert das im Bereich der nördlichen Polarkappe auf der Oberfläche niedergeschlagene Kohlendioxid während des dort herrschenden Sommers, da sich der Marsnordpol aufgrund der Achsneigung des Planeten der Sonne entgegen neigt und dabei ein Maximum an Sonnenenergie empfängt. Das Kohlendioxid tritt dabei vom festen Aggregatzustand direkt in den gasförmigen Zustand über und steigt in die Atmosphäre auf.

Zur gleichen Zeit wird es am Marssüdpol, welcher jetzt von der Sonne abgewandt ist, immer kälter. Durch die extremen Temperaturunterschiede zwischen den beiden Polen entsteht eine von Norden nach Süden gerichtete Windströmung, welche das Kohlendioxid in die südlichen Polarregionen transportiert. Nach dem Erreichen der südpolaren Regionen resublimiert das Kohlendioxid durch die hier vorherrschenden tieferen Temperaturen erneut und bildet am Südpol eine bis zu mehrere Meter dicke Schicht aus Kohlendioxideis.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Eine Farbansicht des Chasma Boreale. Der Eispanzer der Polarkappe ist durch seine weiße Farbe erkennbar.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Mit dem Wechsel der Jahreszeiten erfolgt der gleiche Vorgang – diesmal allerdings in die andere Richtung. Die Polarkappen können sich dabei bis zum 45. nördlichen beziehungsweise südlichen Breitengrad ausdehnen. Die im Mai 2010 angefertigten Bilder zeigen die nördliche Polarregion allerdings zur Zeit der dortigen Sommersonnenwende. Das dort während der Wintermonate abgelagerte Kohlendioxid hatte sich mittlerweile verflüchtigt, so dass ausschließlich Wassereis zurückblieb, welches in den Aufnahmen als weiße Flächen erkennbar ist. Auch das Wassereis begann zu sublimieren und stieg in Form von Wasserdampf in die Atmosphäre des Planeten auf. Dieser Vorgang machte sich zu diesem Zeitpunkt durch ein verstärktes Auftreten von Wolken aus Wassereiskristallen bemerkbar, welche speziell über der Äquatorregion des Mars beobachtet werden konnten.

Der abgebildete Bereich befindet sich bei 85 Grad nördlicher Breite und 336 Grad östlicher Länge und zeigt somit die Umgebung des Chasma Boreale. Dieser gewaltige Canyon in der Nähe des Nordpols verfügt über eine Länge von rund 600 Kilometern, ist bis zu 100 Kilometer breit und bis zu zwei Kilometer tief. Aus einer Überflughöhe von mehreren hundert Kilometern erreichte die HRSC-Kamera eine Auflösung von etwa 85 Metern pro Pixel.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Diese Nadir-Aufnahme der HRSC-Kamera zeigt in verschiedenen Bildausschnitten mehrere markante Geländemerkmale.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Die Aufnahmen ermöglichen den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern einen hervorragenden Einblick in die stratigraphische Abfolge der dortigen Ablagerungen, welcher nicht durch Kohlendioxideis-Ablagerungen behindert wird. Auf dem Boden des Chasma Boreale sind vereinzelte Impaktkrater zu erkennen, welche stark mit Sand bedeckt sind beziehungsweise teilweise durch Winderosion freigelegt wurden (Bildausschnitt 1 in der nebenstehenden Nadiraufnahme). Des weiteren sind in den feinen und regelmäßigen Schichtungen helle und dunkle Ablagerungen zu erkennen (Bildausschnitt 2). Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die dunkleren Ablagerungen durch die jährlich auftretenden Staubstürme hervorgerufen wurden. Bedingt durch den Wechsel der Jahreszeiten werden so rhythmische Ablagerungen erzeugt, wie sie in der Abbildung zu erkennen sind.

Die Eiskappe ist von einem gewaltigen Dünenfeld umgeben (Bildausschnitt 3), welches sich zum Teil bis zu 600 Kilometer in die südliche Richtung erstreckt. Das dort befindliche dunkle Material entstammt einer Schicht, welche sich unterhalb des Eises befindet. Es wird vermutlich durch die jahreszeitliche Migration der Eismassen freigesetzt und anschließend von Winden verfrachtet.

MARSIS: ESA, NASA, ASI, JPL-Caltech, University of Rome SHARAD: NASA, JPL-Caltech, ASI, University of Rome, Washington University in St. Louis
Das MARSIS-Instrument kann die Marsoberfläche bis zu einer Tiefe von fünf Kilometern untersuchen. Das SHARAD-Radar an Bord des NASA-Orbiters Mars Reconnaissance Orbiter erreicht dagegen lediglich eine Tiefe von einem Kilometer, liefert allerdings eine größere räumliche Auflösung. Die hier gezeigten Bilder zeigen die Südpolregion des Mars.
(Bild: MARSIS: ESA, NASA, ASI, JPL-Caltech, University of Rome SHARAD: NASA, JPL-Caltech, ASI, University of Rome, Washington University in St. Louis)

Mars Express, so die aktuellen Planungen, soll die Zusammensetzung der nördlichen Polarkappe des Mars sowie deren Struktur und Tiefe in den kommenden Wochen weiter untersuchen. Hierzu wollen die an der Mission beteiligten Wissenschaftler das MARSIS-Instrument einsetzen. Dieses im niedrigen Frequenzbereich arbeitende Radarinstrument ist in der Lage, die Oberfläche in drei Dimensionen wiederzugeben und dabei den Marsboden bis zu einer Tiefe von fünf Kilometern zu analysieren.
Radiowellen werden normalerweise von einer festen Oberfläche reflektiert. Besonders langwellige Radarsignale dringen jedoch in Abhängigkeit von ihrer Wellenlänge in das Material ein. Sie werden dabei erst an den Grenzflächen zwischen zwei Schichten reflektiert, welche sich aus unterschiedlichen Material, zum Beispiel Felsgestein und Wassereis, zusammensetzen. Aus der Stärke eines zweiten Echos kann dabei die Art der reflektierenden Schicht abgeleitet werden.

MARSIS arbeitet mit insgesamt vier Frequenzen im Bereich von 1,9 MHz, 2,8 MHz, 3,8 MHz und 4,8 MHz. Die beiden niedrigeren Frequenzen, welche über eine größere Wellenlänge verfügen, eignen sich am besten für die Aufgabe. Allerdings können diese nur nachts eingesetzt werden, da die Signale während des Marstages durch Interferenzen in der Ionosphäre unseres Nachbarplaneten zu stark beeinträchtigt werden. Im August und September 2011 bietet sich jedoch eine exzellente Gelegenheit für entsprechende Messungen. Durch diese werden dann eventuell auch weitere Geheimnisse der Polarkappen gelöst.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Durch die Betrachtung mit einer speziellen Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille wird mit dieser 3D-Aufnahme ein räumlicher Eindruck der Landschaft vermittelt.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Die weiter oben gezeigte Farbansicht wurde aus dem senkrecht auf die Planetenoberfläche blickenden Nadirkanal und den vor- und rückwärts blickenden Farbkanälen der HRSC-Stereokamera erstellt. Bei dem Schwarzweißbild handelt es sich um eine Nadiraufnahme, welche von allen gewonnenen HRSC-Aufnahmen die höchste Auflösung erreicht. Das nebenstehende Anaglyphenbild, welches bei der Verwendung einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Des Weiteren können die Wissenschaftler aus einer höhenkodierten Bildkarte, welche aus den Nadir- und Stereokanälen der HRSC-Kamera errechnet wird, ein digitales Geländemodell der abgebildeten Marsoberfläche ableiten.

Das HRSC-Kameraexperiment an Bord der ESA-Sonde Mars Express wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin geleitet. Dieser hat auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen. Das für die HRSC-Kamera verantwortliche Wissenschaftlerteam besteht aus 45 Co-Investigatoren von 32 Institutionen aus zehn Ländern.

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