Bei der Auswertung von Aufnahmen einer Kamera an Bord des Marsorbiters MRO stießen die Wissenschaftler der NASA auf einen erst kürzlich auf dem Mars entstandenen Impaktkrater. Das besondere dabei – eigentlich dienen die Aufnahmen dieser speziellen Kamera lediglich dazu, um das aktuelle Wettergeschehen auf unserem Nachbarplaneten zu dokumentieren.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL, University of Arizona.
Bereits seit dem März 2006 umkreist die von der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebene und mit sechs wissenschaftlichen Instrumenten ausgestattete Raumsonde Mars Reconnaissance Orbiter (kurz “MRO”) den Mars und liefert den an dieser Mission beteiligten Wissenschaftlern seitdem fast täglich neue und immer wieder faszinierende Detailaufnahmen von der Oberfläche und der Atmosphäre unseres äußeren Nachbarplaneten.
Die Hauptkamera an Bord des MRO, die von der University of Arizona betriebene HiRISE-Kamera, erreicht dabei mit ihren Aufnahmen unter optimalen Bedingungen eine Auflösung der Planetenoberfläche von bis zu 25 Zentimetern pro Pixel. Eine zweite Kamera an Bord des Orbiters, die CTX-Kamera, erreicht zwar ‘lediglich’ eine Auflösung von etwa sechs Metern pro Pixel. Durch das bei den CTX-Aufnahmen erreichte größere Gesichtsfeld kann das durch die HiRISE abgebildete Gebiet jedoch in einen räumlich weiter ausgedehnten Kontext versetzt werden.
Im Rahmen ihrer Aktivitäten bilden diese beiden Kameras bei passenden Gelegenheiten auch immer wieder die gleichen Abschnitte der Marsoberfläche ab und dokumentieren dabei Veränderungen, welche sich dort erst in jüngster Vergangenheit ergeben haben. Durch den Vergleich mit älteren Aufnahmen zeigte sich dabei mehrfach, dass der Mars im geologischen Sinn keinesfalls eine “tote Welt” ist, sondern dass die Oberfläche unseres Nachbarplaneten vielmehr einem permanent ablaufenden Veränderungsprozess unterliegt.
Durch aeolische Prozesse herbeigeführte Veränderungen von Sanddünen, der Wechsel der Jahreszeiten und immer wieder erfolgende Meteoriteneinschläge führen auch in der unmittelbaren Gegenwart dazu, dass die Marsoberfläche immer wieder neu gestaltet wird.
Bei einer weiteren an Bord des Marsorbiters befindlichen Kamera handelt es sich um die in der interessierten Öffentlichkeit eher unbekannte “Mars Color Imager”-Kamera (kurz “MARCI”), welche als einziges Kamerasystem des MRO den Mars in seiner ‘Gesamtheit’ abbilden kann. Die mit dieser Kamera angefertigten Aufnahmen werden seit dem Beginn der MRO-Mission in erster Linie dazu genutzt, um routinemäßig aktuelle Wetterberichte vom Mars zu erstellen.
Diese mittlerweile über einen längeren Zeitraum erfolgende Beobachtung des täglichen marsianischen Wettergeschehens erlaubt es den Wissenschaftlern, Rückschlüsse auf die Prozesse zu ziehen, welche das Wetter auf dem Mars bestimmen. Außerdem sind aktuelle Wetterdaten vom Mars notwendig, damit die für den Betrieb der derzeit aktiven Marsorbiter und -rover verantwortlichen Wissenschaftler und Ingenieure die zukünftigen Aktivitäten dieser Forschungsmissionen planen können.
Ein ungewöhnlicher ‘Fleck’ auf der Oberfläche
Seit dem Beginn der systematischen Beobachtung des Mars durch den MRO ist Bruce Cantor von der in San Diego/Kalifornien angesiedelten Firma Malin Space Science Systems (MSSS) – der Herstellerfirma der MARCI-Kamera – einer der Wissenschaftler, welche für die Auswertung und Interpretation der gewonnenen Wetterdaten verantwortlich sind. Dabei fiel ihm bei der Bearbeitung der MARCI-Fotos vom 20. März 2014 ein dunkler Fleck auf, der sich in der Nähe des Marsäquators befand.
“Das war eigentlich nicht das, wonach ich gesucht habe”, so Bruce Cantor. “Ich war mit meiner üblichen Wetterüberwachung beschäftigt als mir dieser Fleck auffiel. Es sah aus wie Strahlen, die von einem zentralen Punkt ausgehen.”
Daraufhin überprüfte Cantor weitere Aufnahmen der betreffenden Region, die zu früheren Zeitpunkten angefertigt wurden. Der ‘Fleck’ war bereits auf Aufnahmen zu erkennen, welche ein Jahr zuvor von der MARCI-Kamera angefertigt wurden. Auf fünf Jahre alten Abbildungen war er dagegen nicht vorhanden. Bei weiteren Vergleichen der Aufnahmen entdeckte Cantor, dass die besagte Struktur am 27. März 2012 noch nicht vorhanden war, ab dem darauf folgenden Tag jedoch regelmäßig auf den MARCI-Aufnahmen erkennbar ist.
Impaktkrater
Nachdem somit bestätigt war, es sich um eine relativ neue Struktur auf der Marsoberfläche handeln muss, wurde am 6. April zunächst die CTX-Kamera eingesetzt, um die Region etwas näher in Augenschein zu nehmen. Die CTX hatte dieses Gebiet, welches sich zwischen dem Olympus Mons und der weiter südwestlich gelegenen Region Gordii Dorsum befindet, bereits am 16. Januar 2012 dokumentiert. Bei einem Vergleich mit den im April 2014 neu erstellten Aufnahmen zeigte sich, dass sich dort jetzt zwei Impaktkrater befinden, die zu Beginn des Jahres 2012 noch nicht vorhanden waren.
Somit konnte bestätigt werden, dass es sich bei der von Bruce Cantor entdeckten Struktur um eine ‘frische’ Einschlagsstelle handelt. In den vergangenen Jahren konnten die an der Mars Reconnaissance Orbiter-Mission beteiligten Wissenschaftler durch den Vergleich von zu unterschiedlichen Zeitpunkten angefertigten Oberflächenaufnahmen rund 400 erst kürzlich entstandene Impaktkrater identifizieren. Die jetzt entdeckte Einschlagstelle ist dabei der erste Nachweis eines Impaktes, welcher durch die deutlich niedriger auflösende MARCI-Kamera gelang. Immerhin liegt die Auflösung dieser Kamera bei lediglich etwa einen Kilometer pro Pixel.
Zusätzliche, ebenfalls im letzten Monat angefertigte Aufnahmen der HiRISE-Kamera zeigten dann, dass sich neben den beiden größeren Kratern in diesem Gebiet ein Dutzend weitere, allerdings kleinere Krater befinden, welche vermutlich alle durch das gleiche Impaktereignis entstanden sind. Das bei dem zugrunde liegenden Impakt freigesetzte Ejektamaterial bedeckt eine Fläche mit einem Durchmesser von etwa acht Kilometern.
Der größte der Krater verfügt über einen Durchmesser von etwa 48,5 x 43,5 Metern und ist somit zugleich der größte erst kürzlich auf dem Mars entdeckte Einschlagkrater. Und er gibt den Wissenschaftlern zugleich Rätsel auf.
“Der größte dieser Krater ist ungewöhnlich. Im Vergleich zu anderen frischen Kratern fällt er relativ flach aus”, so Alfred McEwen von der University of Arizona in Tucson/USA. Der Wissenschaftler schätzt, dass der für die Entstehung dieses Kraters verantwortliche Himmelskörper über einen Durchmesser von etwa drei bis fünf Metern verfügt haben muss. Die leicht ovale Form und die geringe Tiefe des Kraters, so eine mögliche Interpretation, könnte eventuell durch einen relativ flachen Aufprallwinkel des Impaktors erklärt werden.
Tscheljabinsk
Ein mehr als dreimal so großer Asteroid ist erst am 15. Februar 2013 über der russischen Stadt Tscheljabinsk in die Erdatmosphäre eingetreten. Durch die dabei erzeugte Druckwelle wurden mehr als 1.000 Menschen verletzt (Raumfahrer.net berichtete über dieses Ereignis und über die später bekanntgegeben Parameter des Asteroiden).
Allerdings ist dieser Asteroid beim Durchqueren der unteren, dichteren Schichten der Erdatmosphäre in mehrere kleine Einzelteile zerbrochen. Deshalb haben nur Bruchstücke des Tscheljabinsk-Asteroiden die Erdoberfläche erreicht und dabei keinen Krater erzeugt. Ähnliches dürfte sich auch am 27./28. März 2012 auf dem Mars abgespielt haben.
Infolge der auftretenden thermischen und mechanischen Belastungen zerbrach der in die Marsatmosphäre eintretende Asteroid kurz vor dem Erreichen der Oberfläche in mehrere einzelne Bestandteile, die anschließend auf engen Raum auf der Marsoberfläche auftrafen und das jetzt dort zu beobachtende Kraterfeld erzeugten.
Für die in die Marsforschung involvierten Planetologen sind relativ frische Krater deshalb von besonderem Interesse, weil hier durch den Impakt eines Asteroiden Material sichtbar wird, welches sich bis vor Kurzem noch einige Meter unterhalb der Planetenoberfläche befand. Neben anderen Umwelteinflüssen, welche ihre Quelle direkt auf dem Mars haben, führt auch die aus dem Weltall einfallende kosmische Strahlung dazu, dass direkt auf der Marsoberfläche abgelagerte Gesteine im Laufe der Jahrmillionen erodieren. Bei der Untersuchung von erst kürzlich entstandenen Kratern ist diese Erosion noch nicht fortgeschritten. Speziell den Spektrometern, mit denen die derzeit aktiven Marsorbiter ausgestattet sind, ergibt sich somit die Gelegenheit, einen ‘indirekten’ Blick unter die Marsoberfläche zu werfen.
Weitere mit diesem ‘frischen’ Krater in Zusammenhang stehende Bildprodukte finden Sie hier in hoher Auflösung. Neben dieser Aufnahme der HiRISE-Kamera sind auf den Internetseiten der University of Arizona derzeit mehr als 33.000 weitere HiRISE-Aufnahmen einsehbar.
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