Raumsonde DAWN: Wasserstoff auf Vesta

Während der letzten mehr als 13 Monate hat die Raumsonde DAWN den Asteroiden (4) Vesta umkreist und dabei mit der Instrumenten wissenschaftliche Daten gesammelt. Obwohl die an der Mission beteiligten Wissenschaftler noch Jahre benötigen werden, um diesen Datenschatz vollständig auszuwerten, werden immer mehr Details über Vesta bekannt.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: EPSC 2012, JPL, Science. Vertont von Peter Rittinger.

NASA, JPL-Caltech, UCLA, MPS, DLR, IDA
Der Marcia-Krater ist ein etwa 62 Kilometer durchmessender Impaktkrater in der Nähe des Äquators von Vesta. Besonders in dessen Umgebung wurden ungewöhnliche Geländeformationen entdeckt, welche durch den schlagartig erfolgenden Abbau von flüchtigen chemischen Verbindungen entstanden.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, UCLA, MPS, DLR, IDA)

Noch bis vor Kurzem wurde der Asteroid (4) Vesta von den Wissenschaftlern als ein Himmelskörper eingestuft, auf der sich so gut wie kein Wasser befinden kann. Neue Abbildungen der Vesta-Oberfläche und Messdaten der von der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebenen Raumsonde DAWN zeigen jetzt jedoch, dass auf dem Asteroiden anscheinend deutlich mehr Wasserstoff enthalten ist als ursprünglich angenommen.

Ein Wissenschaftlerteam um Brett B. Denevi von der Johns Hopkins University in Laurel/US-Bundesstaat Maryland hat die Kameraaufnahmen der auf der Oberfläche von Vesta befindlichen Impaktkrater näher analysiert. Dabei stießen die Planetologen auf verschiedene ungewöhnliche, mit Einbrüchen durchzogene Geländeformationen. Diese unregelmäßig geformten Senken befinden sich in erster Linie in der unmittelbaren Umgebung verschiedener Impaktkrater in der Äquatorregion Vestas. Ähnliche Strukturen sind den Planetologen auch vom Mars her bekannt. Die Wissenschaftler gehen in beiden Fällen davon aus, dass diese Geländeformationen durch den schlagartig erfolgenden Abbau von flüchtigen chemischen Elementen entstehen, welche infolge der bei einem Impakt freigesetzten Hitze verdampfen. „Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass zumindestens Teile der Asteroidenoberfläche einen relativ großen Anteil an flüchtigen Stoffen enthalten“, so Brett Denevi.

Diese Annahme wird durch ein von Thomas H. Prettyman vom Planetary Science Institute in Tucson/USA geleitetes Team unterstützt. Die Wissenschaftler untersuchten die Verteilung und Zusammensetzung der auf der Asteroidenoberfläche befindlichen chemischen Verbindungen mittels des Gammastrahlen- und Neutronen-Spektrometers GRAND, einem der drei an Bord der Raumsonde befindlichen Instrumente. Grand kann die in den chemischen Verbindungen enthaltenen Elemente bis zu einer Tiefe von einigen Zentimetern nachweisen, indem es Gammastrahlen und Neutronen registriert, welche bei den erfolgenden Wechselwirkungen zwischen den geladenen Teilchen der kosmischen Strahlung und den unterschiedlichen Elementen auf der Asteroidenoberfläche erzeugt werden.

NASA, JPL-Caltech, UCLA, MPS, DLR, IDA
Auch in der Umgebung des Cornelia-Kraters sind mit Einbrüchen durchzogene Geländeformationen erkennbar. Das linke Bild wurde am 21. Oktober 2011 aus einer Entfernung von 700 Kilometern angefertigt und löst das Gelände mit etwa 70 Metern pro Pixel auf. Bei dem rechten Bild handelt es sich um eine Höhenkarte.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, UCLA, MPS, DLR, IDA)

Laut den daraus resultierenden Ergebnissen enthält das auf der Oberfläche von Vesta befindliche Regolith einen substantiellen Anteil an Wasserstoff. Der höchste Wasserstoffgehalt konnte dabei in der Äquatorregion des Asteroiden nachgewiesen werden, wo sich zugleich auch die ältesten Oberflächenformationen befinden. Hier konnte regional ein Wasserstoffgehalt nachgewiesen werden, welcher einem Eisgehalt von rund sechs Kilogramm pro Kubikmeter entspricht.

Der geringste Wasserstoffgehalt findet sich dagegen im Bereich des am Südpol des Asteroiden gelegenen Impaktbeckens Rheasilvia, welches zugleich mit einem Alter von etwa einer Milliarde Jahren zu den jüngsten geologischen Strukturen auf Vesta zählt. Allgemein ergibt sich bei den Messungen die Tendenz, dass sich die Wasserstoffanteile in der Oberfläche umgekehrt proportional zur Albedo des Asteroiden verhalten. Je dunkler das Oberflächenmaterial erscheint, desto mehr Wasserstoff ist in ihm vorhanden. Der Wasserstoff liegt dabei aber nicht in molekularer Form vor, sondern ist vielmehr in so genannten hydratisierten Mineralen gebunden. Dieser in Mineralen gebundene Wasserstoff wäre dann identisch mit den „flüchtigen Stoffen“, welche von dem Team um Brett Denevi postuliert wurden.

Nach den gegenwärtigen Theorien hat sich Vesta in der Frühphase der Entstehungsgeschichte unseres Sonnensystems innerhalb der so genannten „Schneegrenze“ gebildet. Hierbei handelt es sich um einen Bereich des inneren Sonnensystems, welcher relativ nahe an der jungen Sonne gelegen war und in dem aufgrund der von der Sonne ausgehende Strahlung alle flüchtigen Substanzen – also auch Wassermoleküle und Eispartikel – verdampft sind. Wie konnte sich trotzdem Wassereis auf Vesta ablagern? „Unsere Messungen stehen in einem guten Einklang mit einer langsam erfolgenden Ansammlung von Wasserstoff, welcher durch eine permanent Zufuhr von kohligen Chondriten verursacht wurde. Bei den kohligen Chondriten handelt es sich um eine bestimmte Klasse von Meteoriten, welche über einen hohen Anteil an Wasser verfügen. Da kohlige Chondrite auch über einen hohen Anteil von Kohlenstoff verfügen – und somit sehr dunkel erscheinen – könnte dies auch erklären, warum der auf Vesta nachgewiesene Wasserstoff bevorzugt in den dunklen Regionen des Asteroiden auftritt.

NASA, JPL-Caltech, UCLA, INAF
Die Wasserstoffverteilung auf Vesta. Die Bereiche mit einer hohen Konzentration sind mit einer gelb gepunkteten Linie umzogen. Die entsprechenden Daten wurden im August 2011 mit dem VIR-Spektrometer aus einer Überflughöhe von etwa 2.700 Kilometern gewonnen. Die Nordpolregion konnte dabei aufgrund der damaligen schlechten Lichtverhältnisse (Polarnacht an Vestas Nordpol) nicht abgetastet werden.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, UCLA, INAF)

Zu dem gleichen Ergebnis gelangte auch ein weiteres Team, welches von Maria Cristina De Sanctis vom Institute of Astrophysics and Space Planetology in Rom geleitet wird. Die Wissenschaftler werteten die Daten des Visible and Infrared Spektrometers (kurz „VIR“) aus. Die Ergebnisse zeigen große, allerdings regional begrenzte Konzentrationen von Hydroxyl – einer chemischen Verbindung, bei der ein Wasserstoff- und ein Sauerstoffatom miteinander verbunden sind. Im Gegensatz zum Erdmond, wo sich Wasserstoff fast ausschließlich in den ewig im Schatten liegenden und somit dauerhaft besonders kalten Kratern an den Polen halten kann, ist die Verteilung des Wasserstoffes auf Vesta nicht abhängig von einer signifikanten Abschattung oder ungewöhnliche niedrigen Temperaturen.

Die hydroxylreichen Regionen auf Vesta sind auch laut den VIR-Analysen im Großen und Ganzen identisch mit den ältesten gebieten auf Vestas Oberfläche. Rund um relativ große und noch verhältnismäßig junge Impaktkrater oder im Bereich des Rheasilvia-Beckens am Südpol, welches über ein Alter von etwa einer Milliarde Jahre verfügt, sind Hydroxyl-Signaturen dagegen kaum oder gar nicht vorhanden. Dies wiederrum deutet darauf hin, dass es sich bei dem Transport von Hydroxyl auf die Oberfläche von Vesta nicht um einen kontinuierlich ablaufenden Prozess handelt.

Sollten sich diese Forschungsergebnisse bestätigen, so würden sich dadurch wertvolle Einblicke in die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der terrestrischen Planeten in unserem Sonnensystem ergeben. Kohlige Chondriten und Asteroiden des C-Typs, welche sehr wahrscheinlich die Ursprungskörper dieser Meteoritenart sind, wären dann mit dafür verantwortlich, dass die im inneren Sonnensystem gelegenen Planeten trotz ihrer Entstehung innerhalb der Schneegrenze über einen hohen Anteil an Wasser verfügen.

Laut Maria Cristina De Sanctis wurde das Hydroxyl in erster Linie durch relativ kleine Partikel mit einem Durchmesser von weniger als eine Zentimeter und über einen relativ eng begrenzten Zeitraum auf den Asteroiden verfrachtet. Hierfür kommt die Periode des Late Heavy Bombardement in Frage, welches vor etwa 4,1 bis 3,8 Milliarden Jahren stattfand. Die Vielzahl der in dieser Zeit erfolgten Kollision von Asteroiden und Planetesimalen setzte eine erhebliche Menge an kleinen Partikeln frei, welche in der Folgezeit auf die Oberflächen der Planeten und Asteroiden „herabregnete“.

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Der Canuleia-Krater: Gut erkennbar sind diverse Rutschungen am Kraterwall und Gesteinsblöcke am Grund des Kraters.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, UCLA, MPS, DLR, IDA)

Dies ist jedoch offensichtlich nicht die vollständige Geschichte der wasserhaltigen Materialien auf Vesta. Der relativ junge Krater Oppia weist zum Beispiel eine deutliche Konzentration von Hydroxyl auf, ist jedoch nicht mit dem Material bedeckt, aus dem sich die kohligen Chondriten zusammensetzen. Dies legt nahe, dass mehr als ein Mechanismus für den Hydroxylanteil auf Vesta verantwortlich ist. „Der Ursprung des Hydroxyls auf Vesta ist sicherlich komplex und möglicherweise nicht einzigartig im inneren Sonnensystem“, so De Sanctis. Erst weitere Analysen werden hierüber Klarheit liefern.

Dies ist jedoch nicht alles, was die Planetenforscher in den vergangenen Monaten herausgefunden habe. Die Gammastrahlen- und Neutronenmessungen von GRAND zeigen zudem, dass Vesta aller Wahrscheinlich nach – wie bereits seit längerem vermutet – tatsächlich die Quelle der so genannten HED-Meteoriten ist. Diese Schlussfolgerung ergibt sich aus einem Vergleich der GRAND-Messdaten bezüglich der Zusammensetzung von Vesta mit der chemischen Zusammensetzung der auf der Erde aufgefundenen HED-Meteoriten, welche übrigens auch Bruchstücke von kohligen Chondriten enthalten. Dagegen konnten keine Anzeichen von vulkanischen Aktivitäten entdeckt werden. Sollte es auf Vesta einmal aktive Vulkane gegeben haben, so wurden deren Spuren in den folgenden Jahrmilliarden durch die Einschläge von Asteroiden verwischt.

Untersuchungen des Gravitationsfeldes erlauben erste Aussagen über den inneren Aufbau von Vesta. Der Asteroid verfügt demzufolge über einen Eisenkern mit einem Radius von 107 bis 113 Kilometern. Die Krustenstärke variiert stark, besitzt im Mittel jedoch eine Dicke von etwa 19 Kilometern. Verschiedene signifikante Mascons müssen noch näher analysiert werden.

NASA, JPL-Caltech, UCLA, MPS, DLR, IDA
Diese zylindrische Projektion von Vesta zeigt auch das für die Lagebestimmung von geologischen Formationen verwendete Koordinatennetz. Die zugrunde liegenden Einzelbilder erreichten eine Auflösung von etwa 260 Metern pro Pixel. Die Gebiete, welche sich oberhalb des 30. Breitengrades befinden, konnten zum Zeitpunkt der Erstellung der Karte noch nicht kartografiert werden, da diese Region im Vorjahr nicht von der Sonne beleuchtet wird. Aufgrund des Verlaufes der Umlaufbahn von Vesta um die Sonne herrschte auf der nördlichen Hemisphäre des Asteroiden gerade Winter. In den vergangenen Monaten wurde auch dieser Bereich fast vollständig erfasst.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, UCLA, MPS, DLR, IDA)

Die in der Äquatorregion befindlichen Rillen und Gräben verlaufen parallel zu dem Impaktbecken Rheasilvia am Südpol und entstanden vermutlich infolge des verursachenden Impaktes. Dieser Impakt hat die gesamte Geomorphologie des Asteroiden verändert. und einen Großteil der älteren Krater und andere Geländeformen mit seinem Auswurfmaterial teilweise oder vollständig verdeckt. Hierbei war besonders die südliche Asteroidenhemisphäre betroffen. Das Gelände auf der Nordhälfte weist ein deutlich höheres Alter auf, obwohl auch in der Nordpolregion des Asteroiden verschiedene größere Impaktbecken entdeckt wurden. Während der letzten 3,5 Milliarden Jahre ereigneten sich über 900 größere Einschläge auf Vesta. Gegenwärtig arbeitet das DAWN-Team mit Hochdruck an der Erstellung einer topografischen Karte, welche fast die gesamte Oberfläche abdeckten wird. Lediglich ein kleiner Bereich am Nordpol konnte nicht mit der Framing Camera der Raumsonde erfasst werden.

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Auf dieser Falschfarbenaufnahme ist erkennbar, dass sowohl das Innere als auch die Umgebung der abgebildeten Krater über eine unterschiedliche mineralogische Zusammensetzung verfügen muss. Auf einer Schwarz-Weiß-Aufnahme zeigen sich diese Unterschiede lediglich als helle und dunkle Bereiche.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, UCLA, MPS, DLR, IDA)

Das VIR-Spektrometer hat über vier Millionen Spektren aufgenommen, welche mehr als 65 Prozent der Oberfläche mit hohen Auflösungen abdecken. Besonders die Südpolregion konnte dabei sehr gut erfasst werden. Besonders im Inneren der größeren Krater in der Äquatorregion befindet sich eine Regolithschicht, welche eine Stärke von bis zu einem Kilometer aufweist. Im Rheasilviabecken ist diese Schicht dagegen deutlich dünner. Analysen der Temperatur, der Wärmeleitfähigkeit und des Wärmeflusses ergaben, dass von Regolith bedecktes Wassereis auf Vesta auch über längere Zeiträume stabil sein könnte – allerdings nur dann, wenn es sich in hohen Breiten befindet und zudem an Hanglagen abgelagert ist, welche in die Richtung des jeweiligen Pols weisen.

Mit dem Abschluss der Erkundung von Vesta ist die Mission der Raumsonde DAWN aber noch längst nicht beendet. Nach einem rund zweieinhalbjährigen Flug durch den Haupt-Asteroidengürtels unseres Sonnensystems soll schließlich im Februar 2015 das zweite und letzte Ziel der Mission, der knapp 950 Kilometer durchmessende Zwergplanet Ceres, erreicht werden. Auch mit der Untersuchung dieses größten und massereichsten Objektes des Haupt-Asteroidengürtels, welche bis mindestens zum Juli 2015 andauern soll, wollen die Planetenforscher fundamentale Erkenntnisse über die früheste Entwicklungsphase unseres Sonnensystems gewinnen.

Die DAWN-Mission wird vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der amerikanischen Weltraumbehörde NASA geleitet. Das JPL ist eine Abteilung des California Institute of Technology in Pasadena/Kalifornien. Die University of California in Los Angeles ist für den wissenschaftlichen Bereich der Mission verantwortlich. Das Kamerasystem an Bord der Raumsonde wurde unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau in Zusammenarbeit mit dem Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin-Adlershof und dem Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze in Braunschweig entwickelt und gebaut. Das Kameraprojekt wird finanziell von der Max-Planck-Gesellschaft, dem DLR und der NASA (JPL) unterstützt.
Die hier kurz angerissenen Resultate der DAWN-Mission wurden heute auf dem European Planetary Science Congress 2012, einer gegenwärtig in Madrid stattfindenden Fachtagung der Planetenforscher, vorgestellt.

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