Die diversen in den letzten Wochen erfolgten Befreiungsversuche für den seit mehr als acht Monaten in einer Sandfalle festgefahrenen Marsrover Spirit waren bisher erfolglos. Die zunehmend kritische Lage der Energieversorgung hat jetzt zu einer Änderung der Befreiungsstrategie geführt.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL, Planetary Society, Unmanned Spaceflight. Vertont von Peter Rittinger.
Wie Raumfahrer.net bereits berichtete fuhr sich der von der NASA betriebene Marsrover Spirit am 23. April 2009 im losen Untergrund eines kleinen Kraters im West Valley, dem sogenannten Scamander-Krater, fest. Nach mehrmonatigen Analysen und Simulationen der aktuellen Situation begannen die für die Steuerung des Rovers verantwortlichen „Marsrover-Driver“ des Jet Propulsion Laboratory (JPL) im November 2009 mit den Versuchen, Spirit aus seiner misslichen Lage zu befreien.
Im Vorfeld dieser Versuche hat die NASA bereits mehrfach verlauten lassen, dass der Erfolg dieser Versuche durchaus nicht garantiert werden kann. Tatsächlich begann die als „Free Spirit“ bezeichnete Befreiungs-Kampagne dann auch mit eher mäßigen Erfolgen. Mitte Dezember 2009 schien sich allerdings für kurze Zeit eine Wende abzuzeichnen. Für alle an der Mission Beteiligten völlig überraschend zeigte das eigentlich seit dem Jahr 2006 inoperable rechte Vorderrad des Rovers Anzeichen dafür auf, dass es doch noch einsatzfähig ist (Raumfahrer.net berichtete). Dadurch entstand die Hoffnung, den kurz zuvor erfolgten Ausfall des rechten Hinterrades von Spirit kompensieren zu können.
Bei den Fahrmanövern während der folgenden Tage relativierte sich die Situation dann jedoch leider wieder. Die Kontrolleure übermittelten Spirit mehrmals Kommandos für Fahrten, welche unter normalen Umständen, sprich bei einem normalen Untergrund, zu einer Vorwärtsbewegung von etwa 10 Metern geführt hätten. Bei all diesen Fahrversuchen zeigte sich, dass das wenige Tage zuvor ausgefallene rechte Hinterrad nicht auf die Fahrbefehle reagiert. Und auch das zuvor noch kurzfristig operable rechte Vorderrad reagierte nicht wie vorgesehen. Im Verlauf der Fahrten kam es immer wieder lediglich zu einem kurzen „Zucken“ dieses Rades. Nach einer erfolgten Vorwärtsdrehung um etwa zwei Grad blockierte das Rad und war für die Fahrt des jeweiligen Tages nicht mehr einsetzbar. Um eventuelle Beschädigungen in der Mechanik und Elektronik des Rovers zu vermeiden, wurden daraufhin die weiteren Drehversuche für dieses Rades eingestellt.
Bei all diesen Fahrten bewegte sich Spirit lediglich im Millimeterbereich in die vorgesehene Richtung. Gleichzeitig wurde bei jeder Etappe ein weiteres Einsinken des Rovers in den Untergrund registriert. Es war somit klar, dass es den Rover-Drivern nicht gelingen würde, Spirit auf diese Weise aus seiner misslichen Lage zu befreien. Aus diesem Grund verfolgte man ab Ende Dezember 2009 eine neue Strategie. Bisher wurde der Rover immer nur angewiesen, sich ausschließlich in die nördliche Richtung zu bewegen. Am 30. Dezember 2009, dem Sol 2.130 der Spirit-Mission, wurde dann vor dem Antritt der eigentlichen Fahrt zuerst eine kurze Rückwärtsbewegung des Rovers kommandiert. Damit sollte den teilweise bis weit über die Achsen im Sand versunkenen Rädern etwas mehr Bewegungsfreiheit verschafft werden.
Am 1. Januar 2010 wurden zusätzlich das linke Vorderrad sowie die beiden Hinterräder vor dem Fahrtantritt um 60 Grad nach innen gedreht. Dies hatte zur Folge, dass ein Teil des Sandes, welcher sich vor diesen Rädern angesammelt hatte, in die freiwerdenden Räume abrutschte. Durch eine anschließende Drehung der Räder nach außen wurde ein Teil des nachgerutschten Materials neben die eigentliche Fahrspur geschoben. Nach dem Abschluss dieses Manövers wurden alle vier lenkbaren Räder auf die vorgesehene Fahrtrichtung ausgerichtet.
Am 5. Januar 2010 erfolgte dann eine Fahrt in die nördliche Richtung. Im Laufe dieser Etappe konnte sich Spirit um insgesamt 2,28 Zentimeter nach vorne bewegen. Gleichzeitig erfolgte allerdings auch ein deutliches Absinken des Rovers um einen Zentimeter. Dieses Eingraben in den Untergrund überschritt die vorgegebenen Sicherheitsparameter, was letztendlich einen vorzeitigen Abbruch der Fahrt zur Folge hatte. Am 7., 9. und 11. Januar 2010 wurden weitere Fahrversuche mit der gleichen Technik durchgeführt. All diese Fahrten erzeugten nur noch eine minimale Vorwärtsbewegung, während gleichzeitig ein weiteres Absinken registriert wurde.
Erschwert wurden die bis zu diesem Zeitpunkt mehr oder weniger erfolglosen Befreiungsversuche durch den sich immer mehr verschlechternden Energiehaushalt des Rovers. Spirit wird, genauso wie sein Zwillingsrover Opportunity, ausschließlich durch Solarenergie betrieben. Am 27. Oktober 2009 begann auf der Südhalbkugel des Mars, Spirit befindet sich im dort gelegenen Gusev-Krater, der Herbst. Die Sonne steigt somit jeden Tag etwas weniger über den Horizont und auch die Zeitdauer der täglichen Sonneneinstrahlung ist rückläufig. Dies hat zur Folge, dass dem Rover pro Tag immer weniger Sonnenlicht zur Verfügung steht, um Energie zu generieren. Welche Auswirkungen dies hat, soll die folgende Auflistung der Energiewerte für die letzten Wochen verdeutlichen. Der Tau-Wert steht dabei für die Durchsetzung der Marsatmosphäre mit Staub. Je mehr Staub sich dort befindet, desto höher fällt dieser Wert aus. Der Wert für die Lichtdurchlässigkeit gibt an, wie viel Sonnenlicht die Solarpaneele trotz einer bedeckenden Staubschicht erreicht und letztendlich zur Energiegewinnung genutzt werden kann.
- 12.01.2010: 0,225 kWh/Tag , Tau-Wert 0,490 , Lichtdurchlässigkeit 53,90 Prozent
- 05.01.2010: 0,243 kWh/Tag , Tau-Wert 0,482 , Lichtdurchlässigkeit 54,50 Prozent
- 30.12.2009: 0,260 kWh/Tag , Tau-Wert 0,480 , Lichtdurchlässigkeit 55,70 Prozent
- 24.12.2009: 0,270 kWh/Tag , Tau-Wert 0,450 , Lichtdurchlässigkeit 54,40 Prozent
- 16.12.2009: 0,277 kWh/Tag , Tau-Wert 0,503 , Lichtdurchlässigkeit 55,70 Prozent
- 09.12.2009: 0,298 kWh/Tag , Tau-Wert 0,517 , Lichtdurchlässigkeit 56,30 Prozent
Zum besseren Verständnis dieser Werte soll eine Auflistung der generierten Energiemengen dienen, welche Spirit in dessen bisherigen Missionsverlauf zu vergleichbaren Zeitpunkten des Marsherbstes erzielen konnte.
- Anfang März 2008: rund 260 Wh/Tag
- Mitte April 2006: rund 385 Wh/Tag
- Anfang Juni 2004: rund 460 Wh/Tag
Während des Marsherbstes im Juni 2004 bewegte sich Spirit auf ebenem Gelände auf den Husband Hill zu. Die zur Energiegewinnung benötigten Solarpaneele waren zu diesem Zeitpunkt nur mit wenig Staub bedeckt, so dass das meiste einfallende Sonnenlicht zur Energiegenerierung genutzt werden konnte. Im Marsherbst und Winter des Jahres 2006 nahm Spirit für etwa sieben Monate eine Parkposition am Nordhang eines kleinen Hügels, des Low Ridge Haven, ein. Da die Solarpaneele auf diese Weise auf die Sonne ausgerichtet waren, konnte der Rover diese Zeit bei einer Lichtdurchlässigkeit der Solarpaneele von etwa 40 Prozent ohne größere Energieprobleme überdauern. Große Probleme gab es dagegen im letzten Marswinter, als Spirit trotz einer besonders starken Ausrichtung der Solarzellen in Richtung auf die Sonne nur knapp dem „Kältetod durch Energiemangel“ entgehen konnte. Allerdings waren die Solarpaneele in diesem Zeitraum mit einer dicken Staubschicht überzogen, so dass lediglich etwa ein Viertel des einfallenden Sonnenlichtes auch deren Oberfläche erreichte und zur Energiegewinnung genutzt werden konnte.
Aufgrund seiner derzeitigen Bewegungsunfähigkeit ist Spirit in diesem Jahr nicht in der Lage, einen günstig gelegenen Berghang zu erreichen und sich an dessen Nordseite zur Sonne hin auszurichten. Der aktuelle Wert von momentan nur noch 225 generierten Wattstunden/Tag stellt somit eine denkbar schlechte Ausgangsbasis für den anstehenden Marswinter dar. Allerdings kommt Spirit dabei der vergleichsweise sehr gute geringe Bedeckungsgrad der Solarpaneele mit Staub zugute. Zur Zeit kann über die Hälfte des einfallenden Sonnenlichtes zur Energiegewinnung genutzt werden. Dieser Bedeckungsgrad wird sich allerdings im Laufe der nächsten Wochen aller Wahrscheinlichkeit nach noch verschlechtern.
Die Atmosphäre des Mars ist permanent mit feinen Staubpartikeln durchsetzt, welche sich im Laufe der Zeit auf der Planetenoberfläche und somit auch auf dem Rover ablagern. Dadurch wiederum verschlechtert sich der Wert der Lichtdurchlässigkeit für dessen Solarpaneele. Andere Faktoren wie eventuelle Staubstürme oder kurze Windstöße, welche die Paneele noch mehr mit Staub bedecken oder von der bedeckenden Staubschicht reinigen, außen vor gelassen, bedeutet dies, dass sich der Wert der generierten Energiemenge aller Wahrscheinlichkeit nach auf einen Wert verschlechtern wird, welcher ein Überleben des Marswinters für Spirit unwahrscheinlich erscheinen lässt. Erst nach der Sonnenwende auf dem Mars, welche am 14. Mai 2010 erfolgen wird, ist mit einem dann wieder steigenden Sonnenstand auch mit einer erneuten Verbesserung der Energiesituation zu rechnen.
Jennifer Herman, eine der für das Energiemanagement von Spirit verantwortlichen Ingenieure des JPL, äußerte sich vor drei Wochen folgendermaßen zu dieser Problematik: „Mit der momentanen Staubanreicherungsrate und der gegenwärtigen Ausrichtung der Solarpaneele wird es wahrscheinlich nicht möglich sein, die überlebenswichtigen Heizelemente des Rovers über den Winter mit Energie zu versorgen.“ Über längere Zeiträume gesehen ist ein Überleben von Spirit bei einem Energiewert von unter 170 Wattstunden/Tag unwahrscheinlich. Sollte der Wert für mehrere aufeinanderfolgende Tage sogar auf unter 130 Wattstunden abfallen, dann wird Spirit den anstehenden Winter trotz aller möglichen Energiesparmaßnahmen (zumindestens zeitweiser Deaktivierung der Heizelemente, Einstellung sämtlicher wissenschaftlichen Aktivitäten, Reduzierung der Kommunikation mit der Erde auf das absolute Minimum) nicht überleben können. Allerdings verfügt der Rover hierbei über einen gewissen Spielraum. Im November 2008 überstand Spirit einen kurzen Staubsturm, in dessen Verlauf der Energiewert für einen Tag auf sogar nur noch 89 generierte Wattstunden abfiel. In den fünf Tagen vor und nach diesem Sturm lag die generierte Energiemenge durchgehend bei unter 170 Wattstunden/Tag.
Die bisher nicht erkennbaren Fortschritte bei den Befreiungsfahrten und die zunehmend bedrohlicher werdende Energiesituation führten jetzt zu einem erneuten Wechsel der Befreiungsstrategie. Am 15. Januar 2010 wurde der Rover entgegen der bisherigen Fahrtrichtung erstmals während der gesamten an diesem Tag erfolgenden Fahrt nach Süden bewegt. Im Rahmen dieser Fahrt gelang es den Rover-Drivern, Spirit um etwa vier Zentimeter in diese Richtung zu bewegen. Desweiteren hob sich der Schwerpunkt des Rovers um sieben Millimeter vom Untergrund ab. Auf den von dieser Fahrt übermittelten Bildern waren erstmals seit Monaten wieder die beiden rückwärtigen Räder des Rovers erkennbar, welche zuvor noch komplett vom Sand bedeckt waren. Der Preis für dieses erfolgreiche Manöver bestand jedoch darin, dass jetzt das zuvor fast freiliegende linke Vorderrad komplett im Untergrund eingegraben war.
Allerdings, und das ist der positive Effekt dieses letzten Manövers, hatte sich durch diese Bewegungen auch die Ausrichtung des Rovers verändert. Die nach Norden zeigende Vorderseite des Rovers war abgesunken, die nach Süden zeigende Hinterseite hatte sich dagegen vom Untergrund angehoben. Als Folge davon waren die Solarpaneele jetzt optimaler als zuvor auf die Sonne ausgerichtet. Bei einer weiteren Fahrt am 17. Januar 2009, dem Sol 2.147 der Mission, wurde diese Strategie beibehalten. Auch während dieser Etappe konnte der Rover sich weiter in die südliche Richtung bewegen und seinen hinteren Bereich anheben.
Als Ergebnis dieser beiden Fahrten befindet Spirit sich jetzt an einem Punkt, welcher knapp südlich der Stelle liegt, an welcher der Rover im November 2009 seine „Befreiungsfahrt“ begann. Bei diesen Manövern hat Spirit sich leicht entgegen dem Uhrzeigersinn gedreht, was zur Folge hatte, dass sich das linke Hinterrad etwas vom Rand des Scamander-Kraters weg bewegt hat. Gleichzeitig hat sich die Vorderseite des Rovers zu diesem Krater hin bewegt. Die bisher übermittelten Telemetriedaten und Bilder des Rovers zeigen, dass sich die Neigung von Spirit in Richtung auf die Sonne verändert hat, was jetzt eine bessere Energieausbeute zur Folge haben sollte. Die Fortsetzung der Fahrt ist für den 18. Januar 2010 geplant.
Sollte es den Mitarbeitern des JPL nicht gelingen, Spirit mit diesen rückwärtigen Bewegungen in eine Position zu manövrieren, welche dessen Überleben während des Marswinters wahrscheinlicher erscheinen lässt, so gibt es bereits Überlegungen, zu unkonventionelleren Methoden zu greifen. Eine in Betracht gezogene Möglichkeit besteht zum Beispiel darin, den an der Vorderseite des Rovers montierten und eigentlich nicht für solche Operationen ausgelegten Instrumentenarm dazu zu benutzen, Bodenmaterial vor dem linken Vorderrad des Rovers zu bewegen und so eine befahrbare Trasse zu schaffen.
Das Risiko eines solchen eventuellen Manövers besteht allerdings darin, dass hierbei mechanische Belastungen auftreten, welche den Instrumentenarm dauerhaft beschädigen könnten. Da an diesem Arm neben dem Mikroskop und einem Gesteinsbohrer auch zwei Spektrometer befestigt sind, könnte dies den Ausfall dieser Instrumente bedeuten. Ohne diese Messinstrumente verliert Spirit jedoch einen Großteil seines wissenschaftlichen Wertes. Ein eventuelles „Okay“ der für die Mission verantwortlichen Mitarbeiter des JPL für ein derartiges Manöver wäre somit als wahrscheinlich wirklich letzter Ausweg aus einer ansonsten hoffnungslosen Situation zu betrachten.
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