Start-up ge­winnt Aus­schrei­bung für in­no­va­ti­ven Test­sa­tel­li­ten

Die Deutsche Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) setzt sich im Rahmen der europäischen Weltraumorganisation ESA für die Förderung von Start-ups ein. Ein deutsches Raumfahrt-Start-up hat am 5. Juli 2021 den Zuschlag zum Bau und Betrieb eines innovativen Testsatelliten für Breitbandinternet im sehr niedrigen Erdorbit erhalten. Der Testsatellit „LoLaSat“ (Low Latency communication Satellite) soll unter anderem die Laufzeiten der Signale stark verkürzen und den Weg für Internet via Satellit auch für Virtual Reality beziehungsweise Augmented Reality und bestimmte Anwendungen beim autonomen Fahren ebnen. Eine Pressemitteilung des DLR.

Quelle: DLR.

LoLaSat – ein kleiner Niedrigflieger.
(Bild: S4 GmbH)

Start-up gewinnt Ausschreibung für innovativen Testsatelliten

Junge, innovative Unternehmen spielen eine immer größere Rolle in der Raumfahrt – auch in Deutschland. „Start-ups bereichern die Raumfahrt. Sie bringen frischen Wind in die Branche und treiben Technologieentwicklungen voran. Wir fördern diese Entwicklung und setzen uns stark für junge Unternehmen in der deutschen Raumfahrtlandschaft ein. Deshalb freuen wir uns sehr, dass ein Konsortium um das Würzburger Start-up S4 GmbH (Smart Small Satellite Systems) im Auftrag der Europäischen Weltraumorganisation ESA den innovativen Testsatelliten LoLaSat entwickeln, bauen und in einem sehr niedrigen Erdorbit betreiben wird. Mit diesem Satelliten forscht das junge Unternehmen an schnellem Internet aus dem All mit sehr kurzen Signallaufzeiten und leistet damit Pionierarbeit in knapp 300 Kilometern über der Erde“, betont Dr. Walther Pelzer, Vorstand und Leiter der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR, die im Auftrag der Bundesregierung das deutsche ESA-Budget steuert. So finanziert sie auch mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) die Ausschreibung des VLEO-Projekts (Very Low Earth Orbit) aus dem sogenannten ARTES-Programm der ESA. Läuft alles nach Plan, dann soll der Testsatellit Ende 2023 in den Weltraum starten.

Schnelles Internet ohne lange Laufzeiten

In unserer modernen Welt sollte eine gute Internetversorgung eigentlich selbstverständlich sein. Ebenso werden große Ansprüche an eine hohe Verfügbarkeit mobiler Datenversorgung gestellt. In Deutschland gibt es nach wie vor zahlreiche Haushalte, die nicht oder nur unzureichend an das Internet angebunden sind. Ebenso gibt es große Engpässe der mobilen Anbindung abseits der dicht bevölkerten Regionen sowie im Flug- und Schifffahrtsbereich. „In Gebieten, in denen der terrestrische Netzausbau nicht möglich, beziehungsweise wirtschaftlich nicht sinnvoll ist, ergänzen schon heute verfügbare Satellitennetze unsere Kommunikationsinfrastruktur. So gibt es mehr und mehr Fluglinien, die ihre Flugzeuge über Funkverbindungen per Satellit ans Internet anschließen.

Gleiches gilt für den Schiffsverkehr. Auch gibt es bereits viele Initiativen, die satellitenbasiertes Internet of Things (IoT) anbieten sowie erste Satellitenmegakonstellationen für Breitbanddienste“, betont Dr. Pelzer. Neben dem wachsenden Bedarf nach mehr Datenübertragungskapazitäten sind für einige Anwendungen geringe Latenzen – also kurze Signallaufzeiten – extrem wichtig. Beispiele hierfür sind Virtual Reality beziehungsweise Augmented Reality und bestimmte Anwendungen beim autonomen Fahren. Allerdings stoßen hierbei viele Satellitenverbindungen an ihre Grenzen: Durch den großen Abstand der Satelliten zur Erdoberfläche haben die Signale eine verhältnismäßig lange Laufzeit, die aber durch die Wahl niedrigerer Orbits verkürzt werden kann.

Satelliten und ihre Umlaufbahnen.
(Bild: DLR (CC BY-NC-ND 3.0))

Neuer Orbit, neue Perspektiven

Traditionell befinden sich Kommunikationssatelliten wie die Fernsehsatelliten im geostationären Orbit, etwa 36.000 Kilometer über der Erdoberfläche. Es bestehen bereits Konstellationen im mittleren Erdorbit, etwa 8.000 Kilometer über der Erdoberfläche. Weitere befinden sich im niedrigen Erdorbit in etwa 500 bis 1.200 Kilometern Höhe im Aufbau. Im VLEO-Projekt soll nun ein Satellit auf einer noch niedrigeren Flugbahn im sogenannten sehr niedrigen Erdorbit in einer Höhe von etwa 200 bis 300 Kilometern ausgesetzt werden. Neben der kürzeren Signallaufzeit bringt VLEO einige andere Eigenschaften mit sich – manche davon positiv, manche negativ.

Zunächst wird der Start des Satelliten einfacher. Durch die geringe Entfernung zur Erde wird für die Kommunikation weniger Energie benötigt, wodurch Kommunikationstechnologien, die bereits auf der Erde zum Beispiel für 5G-Anwendungen eingesetzt werden, kostengünstiger werden. Allerdings überfliegen Satelliten im VLEO Orte auf der Erde deutlich schneller als Satelliten auf höheren Umlaufbahnen. Das führt zu Signalverschiebungen, die die Kommunikation anspruchsvoller werden lassen. Außerdem herrscht in niedrigen Umlaufbahnen verhältnismäßig viel Restatmosphäre.

Dies ist Fluch und Segen zugleich: Zum einen kann atomarer Sauerstoff in diesen Schichten die Geräte des Satelliten angreifen. Die Restatmosphäre bremst zudem den Satelliten kontinuierlich ab, was er regelmäßig mit seinen Triebwerken kompensieren muss, um seine Höhe zu halten. Auf der anderen Seite „entsorgt“ die starke Bremskraft der Restreibung den Satelliten automatisch, wenn er sein Betriebsende erreicht hat. So wird der nicht mehr genutzte Satellit innerhalb weniger Wochen in der Atmosphäre verglühen. Der sehr niedrige Erdorbit ist somit selbstreinigend – eine sehr positive Eigenschaft, die zur nachhaltigen Raumfahrt beiträgt.

Gemeinsam zum Ziel

Das Konsortium um S4 GmbH hat nun die Aufgabe, den Einfluss des VLEO auf die Satellitenkommunikation näher zu untersuchen. Hierzu wird es einen kleinen Satelliten bauen, starten und mehrere Monate im VLEO betreiben, um verschiedene Experimente durchzuführen. Das Start-up übernimmt die Leitung des Konsortiums, legt das System aus, baut es und wird den Raketenstart beschaffen. Der weltweit agierende Anbieter für Kommunikationsnutzlasten TESAT Spacecom aus Backnang bei Stuttgart wird die innovative Kommunikationstechnologie des Satelliten entwerfen und bauen. Das Zentrum für Telematik aus Würzburg – ein Schwesterunternehmen von S4 GmbH – ist für die benötigten Bodentechnologien und den Betrieb des Satelliten zuständig.

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