Der Start des Sonnenobservatoriums Aditya-L1 der indischen Weltraumforschungsorganisation (ISRO) ist für den 2. September 2023 geplant. Die ESA verfügt genau über die richtige Infrastruktur und das richtige Fachwissen, um Unterstützung zu leisten. Eine Pressemitteilung der Europäischen Weltraumorganisation (ESA).
Quelle: ESA 1. September 2023.
1. September 2023 – Es handelt sich um eine ehrgeizige Mission, die riesige Mengen an wissenschaftlichen Daten generieren wird, während sich die Raumsonde in einer instabilen Umlaufbahn bewegt.
Aditya-L1
Aditya-L1 wird die erste indische Satellitenmission zur Erforschung der Sonne sein. Nach dem Start wird die Sonde zu ihrem neuen Zuhause reisen – dem ersten Lagrange-Punkt (L1) des Sonne-Erde-Systems.
Von dort aus werden die sieben Instrumente genutzt, um offene Fragen bezüglich unseres Sterns zu untersuchen. Vier werden die Sonne direkt beobachten, während die anderen drei in-situ-Messungen durchführen werden, um die Art des Weltraumwetters zu erforschen, das unsere Sonne im interplanetaren Raum erzeugt.
ESA-Unterstützung für Aditya-L1
Die ESA unterstützt Aditya-L1 auf zweierlei Weise: Die Agentur stellt der Mission Kommunikationsdienste für den Weltraum zur Verfügung, weiterhin unterstützte sie ISRO im vergangenen Jahr bei der Validierung einer wichtigen neuen Flugdynamik-Software.
Kommunikation ist ein wesentlicher Bestandteil jeder Weltraummission. Ohne Unterstützung durch eine Bodenstation ist es unmöglich, wissenschaftliche Daten von einem Raumfahrzeug zu erhalten, zu wissen, wie es sich verhält, ob es sicher ist und wo genau es sich befindet.
„Durch das globale Netzwerk von Stationen zur Überwachung des tiefen Weltraums der ESA und die Verwendung international anerkannter technischer Standards können wir unseren Partnern helfen, ihre Raumfahrzeuge fast überall im Sonnensystem zu verfolgen, zu steuern und ihre Daten zu empfangen“, sagt Ramesh Chellathurai, ESA Service Manager und ESA Cross-Support Liaison Officer für ISRO.
„Für die Aditya-L1-Mission bieten wir Unterstützung von allen drei unserer 35 Meter-Weltraumantennen in Australien, Spanien und Argentinien sowie von unserer Kourou-Station in Französisch-Guayana und der Goonhilly Earth Station in Großbritannien.“
ESA ist der wichtigste Partner von Bodenstationsdiensten für Aditya-L1. Die ESA-Stationen werden die Mission von Anfang bis Ende unterstützen: von der kritischen Start- und frühen Orbit-Phase über die gesamte Reise zum Lagrange-Punkt L1 bis hin zur Übermittlung von Befehlen an Aditya-L1 und zum Empfang von wissenschaftlichen Daten von Aditya-L1 über mehrere Stunden pro Tag während der nächsten zwei Jahre des Routinebetriebs.
Lagrange-Punkt 1 – ein perfektes Zuhause für Sonnenforscher
Wenn eine große Masse eine andere umkreist, wie z.B. die Erde um die Sonne, wirken die Gravitationskräfte und die Orbitalbewegung so zusammen, dass fünf Gleichgewichtspunkte entstehen, an denen ein Raumschiff über einen längeren Zeitraum betrieben werden kann, ohne viel Treibstoff verbrauchen zu müssen. Diese Regionen werden als Lagrange- oder Liberationspunkte bezeichnet.
Der erste Lagrange-Punkt des Erde-Sonne System, L1, befindet sich zwischen der Erde und der Sonne, bei etwa ein Prozent der Entfernung zur Sonne. Er ist ein perfekter Standort für Sonnenforschungsmissionen wie Aditya-L1, da er einen ungehinderten Blick auf die Sonne ermöglicht, die hier nie von der Erde verdeckt wird. Am L1 wird sich Aditya-L1 zu Raumsonden wie dem ESA/NASA Solar Heliospheric Observatory (SOHO) gesellen, das sich seit 1996 auf L1 befindet.
Raumsonden, die das äußere Sonnensystem und weit darüber hinaus betrachten sollen, wie das James-Webb-Weltraumteleskop von NASA, ESA und CSA oder die ESA-Teleskope Euclid und Gaia, fliegen stattdessen zu L2. L2 ist das Gegenstück zu L1 und befindet sich in der gleichen Entfernung von der Erde, aber von der Sonne aus gesehen auf der anderen Seite des Planeten. Bei L2 haben diese Raumsonden immer die Helligkeit der Sonne und der Erde im Rücken, während sie nach draußen auf schwache Objekte blicken, die sich in der Dunkelheit des Universums verstecken.
Der Weg
Aditya-L1 wird nicht direkt nach dem Start zu L1 fliegen. Stattdessen müssen die ISRO-Flugkontrolleure ein „Transfermanöver“ durchführen, so wie es die ESA kürzlich getan hat, um ihr Euclid-Teleskop zu L2 zu bringen.
Dieses Manöver wird kurz nach dem Start durchgeführt, da die zum Erreichen der erforderlichen Flugbahn benötigte Treibstoffmenge mit der Zeit schnell ansteigt. Nach einigen anfänglichen Manövern zur Anpassung seiner Umlaufbahn um die Erde nach dem Start wird Aditya-L1 die Zündung durchführen, mit der seine etwa zweimonatige Reise zum L1 beginnt.
Der Aufenthalt
L1 ist einer der „instabilen“ Lagrange-Gleichgewichtspunkte. Es ist praktisch unmöglich, ein Raumfahrzeug exakt auf dem L1-Punkt zu halten.
Stattdessen treten die Raumfahrzeuge in eine Umlaufbahn um L1 ein, als wäre der Lagrange-Punkt ein „unsichtbarer Planet“. Aufgrund der Instabilität dieser Umlaufbahn werden kleine Fehler in der Flugbahn jedoch schnell größer. Infolgedessen müssen die Raumfahrzeuge etwa einmal im Monat ein „Stationshaltemanöver“ durchführen, um sie auf der richtigen Umlaufbahn zu halten.
Sollten diese monatlichen Manöver nicht durchgeführt werden können, kann dies ein großes Problem darstellen. Im Juni 1998 gab es bei der SOHO-Mission ein Problem, aufgrund dessen die Stationierung nicht gehalten werden konnte. Der Fehler in seiner Umlaufbahn verschlimmerte sich schnell und war so unvorhersehbar, dass der Kontakt zum Raumschiff verloren ging und es in die Leere zu driften begann.
Ein gemeinsames Team von NASA- und ESA-Experten machte sich an die Arbeit, um das Raumschiff zu retten, fand es schließlich weit entfernt von seiner erwarteten Position und konnte den Kontakt wiederherstellen. 25 Jahre später befindet sich SOHO immer noch in einer Umlaufbahn um L1 und liefert wertvolle wissenschaftliche Daten.
ISRO entwickelt fortschrittliche Flugdynamik-Software
Um L1 zu erreichen und sicher in der Umlaufbahn zu bleiben, müssen die Flugkontrolleure genau wissen, wo sich ihr Raumfahrzeug befand, befindet und befinden wird. Dazu wenden sie mathematische Formeln auf die Verfolgungsdaten des Raumfahrzeugs an, um seine frühere, gegenwärtige und zukünftige Position in einem Prozess zu berechnen, der als Bahnbestimmung bezeichnet wird.
Diese Bestimmung der Umlaufbahn erfolgt mit Hilfe einer speziell entwickelten Software. Zwar hat ISRO eine neue Software zur Bestimmung der Umlaufbahn für Aditya-L1 entwickelt. Angesichts der winzigen Fehlertoleranz, die der Betrieb eines Raumfahrzeugs bei L1 mit sich bringt, baten sie jedoch ESA um Unterstützung bei der Validierung.
ESA-Prüfstand
Von April bis Dezember 2022 arbeiteten die Teams von ESA und ISRO intensiv zusammen, um die Strategie der ISRO für den Betrieb von Aditya-L1 zu bewerten und ihre neue Software zur Bahnbestimmung zu testen.
„Mit ihrer Erfahrung in puncto Flügen und an den Lagrange-Punkten war ESA der ideale Partner, um ISRO bei der Verbesserung ihrer neuen Software zur Bestimmung der Umlaufbahn zu helfen und zu demonstrieren, dass sie die Zuverlässigkeit und Genauigkeit besitzt, die die Organisation für den erstmaligen Betrieb eines Raumfahrzeugs an einem Lagrange-Punkt benötigt“, sagt ESA-Flugdynamikexperte Frank Budnik.
Zunächst erarbeitete das ESA-Team typische Szenarien, mit denen das ISRO-Team beim Betrieb von Aditya-L1 konfrontiert werden könnte. Beide Teams verwendeten dann ihre eigene Software zur Bestimmung der Umlaufbahn, um vorherzusagen, wie sich die Umlaufbahn von Aditya-L1 in diesen Szenarien entwickeln würde, und verglichen dann ihre Ergebnisse.
Im nächsten Schritt stellte ESA ISRO simulierte Tracking-Daten zur Verfügung, die den Daten ähneln, die ESA für das Training ihrer eigenen Flugdynamik-Teams verwendet. Dazu gehören Daten, die typisch sind für die kritische Start- und frühe Orbitphase eines Raumfahrzeugs, ein komplexes Einschwenkmanöver in die Umlaufbahn oder sogar einen Planetenvorbeiflug. Das ISRO-Team nutzte seine Software, um die Daten zu analysieren, und dann arbeiteten beide Teams zusammen, um verbesserungswürdige Bereiche zu ermitteln und einige der Algorithmen zu optimieren.
Schließlich stellte das ESA-Team dem ISRO-Team die Tracking Daten eines echten Raumfahrzeugs zur Verfügung, das um L1 kreist. Beide Teams nutzten ihre eigene Software, um die Daten der früheren ESA-Mission LISA Pathfinder zu analysieren, und verglichen ihre Ergebnisse noch einmal.
Die Ergebnisse der Übung waren für ESA und ISRO wertvoll, sodass beide Teams nun von den Fähigkeiten der ISRO-Software überzeugt sind.
Nicht nur die Umlaufbahnen schließen den Kreis
Einigen ESA-Flugdynamik-Experten kam diese Übung bekannt vor. Als ESA ihre eigenen frühen interplanetaren Weltraummissionen vorbereitete, stand sie vor ähnlichen Herausforderungen wie ISRO heute. ESA wandte sich an ein Team des Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA, um die Software zur Bestimmung der interplanetaren Umlaufbahn für die ESA-Mission Mars Express und den Kometenjäger Rosetta zu validieren, die dann beide später von ESA erfolgreich navigiert wurden.
Die Übung hatte einen ähnlichen Umfang und ein ähnliches Ziel wie diejenige, die ESA und ISRO im vergangenen Jahr für Aditya-L1 durchgeführt haben.
Die internationale Raumfahrtgemeinschaft
Die zweigleisige Unterstützung der ESA für Aditya-L1 zeigt, wie wertvoll die internationale Zusammenarbeit in der Raumfahrt ist. Das ESA-Bodenstationsnetz (bekannt als „Estrack“) und das Fachwissen im Bereich der Flugdynamik wurden in jahrzehntelanger Arbeit bei den anspruchsvollsten Raumfahrtmissionen aufgebaut und sind heute Eckpfeiler der Unterstützung der ESA für ihre Partner.
Estrack befindet sich derzeit in einer Expansionsphase. Die vierte große ESA-Weltraumantenne befindet sich im Bau währen die Agentur sich darauf vorbereitet, den steigenden Bedarf an Kommunikationsbandbreite für ihre eigenen Weltraumforschungs- und Weltraumsicherheitsmissionen sowie für die Unterstützung einer wachsenden Zahl von Partnern zu decken.
Im Weltraum wird Aditya-L1 das jüngste Mitglied der Flotte von Sonnenforschern sein, zu denen auch der Solar Orbiter der ESA, SOHO, die Parker Solar Probe der NASA und andere gehören, die gemeinsam mit der Menschheit versuchen, die Geheimnisse unseres Sterns zu entschlüsseln.
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