Galileo: Wikileaks und Finanzierungslecks

Der Vorstandsvorsitzende der OHB-System AG, einem Hersteller von Satelliten für das europäische Satellitennavigationssystem Galileo, muss wegen Äußerungen, die er laut Informationen, die von Wikileaks veröffentlicht wurden, gemacht habe, seinen Abschied nehmen. Außerdem wurde bekannt, dass das Satellitennavigationssystem nun weitere 1,9 Milliarden Euro teurer wird.

Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: Aftenposten, Europäische Kommission, OHB, Raumfahrer.net. Vertont von Peter Rittinger.

ESA/J. Huart
Galileo-Satelliten umkreisen die Erde – Illustration
(Bild: ESA/J. Huart)

Dass das Satellitennavigationssystem eine dumme Idee sei, soll der bisherige OHB-Vorstandschef Berry Smutny gegenüber US-amerikanischen Diplomaten in Berlin behauptet haben, heißt es in einem Telegramm vom Oktober 2009, das der norwegische Tageszeitung Aftenposten von Wikileaks zugespielt wurde. Seine Einschätzung habe Smutny damit begründet, dass das im Aufbau befindliche System primär französische Interessen bediene. Es handle sich um eine Verschwendung von europäischen Steuergeldern, denn es gehe nur darum, die atomwaffentragenden französischen Militärraketen in Sachen Navigation unabhängig vom amerikanischen System GPS zu machen. Angesichts der deutschen Beteiligung an Galileo sei es eine besondere Ironie, dass ein Teil der französischen Raketen auf Berlin, die deutsche Hauptstadt gerichtet sind.

Gegenüber der Aftenposten bestritt Smutny die ihm zur Last gelegten Äußerungen, räumte aber ein, sich mit den US-amerikanischen Diplomaten zu einem informellen Essen getroffen zu haben. Mit Smutny an der Spitze hatte die OHB-System AG aus Bremen im Januar 2010 den Auftrag zum Bau von 14 Satelliten für das Navigationssystem bekommen (raumfahrer.net berichtete). Nach 18 Monaten als Vorstandsvorsitzender muss Smutny OHB nun verlassen, obwohl das Jahr 2010 das erfolgreichste in der Geschichte der OHB-System AG war. Der OHB-Sprecher Steffen Leuthold teilte am 17. Januar 2011 mit, dass man sich zur sofortigen Freistellung Smutnys von seinen Aufgaben gezwungen gesehen habe, um weiteren Schaden von OHB und den Kunden des Unternehmens abzuwenden. Die OHB-Gruppe, zu der auch die OHB-System AG gehört, bekennt sich nach wie vor nachhaltig zu Galileo, hatte der Aufsichtsratsvorsitzende der OHB-System AG, Prof. Manfred Fuchs, bereits am 14. Januar 2011 bekräftigt, und versichert, der Bau der 14 bei der OHB-System AG bestellten Satelliten werden im vorgesehenen Zeit- und Kostenrahmen erfolgen.

Am 18. Januar 2011 gab die Europäische Kommission in einem Bericht neue Zahlen zu den Gesamtkosten für die Einführung von Galileo bekannt. 2014 soll das System wenigstens teilweise einsatzbereit sein, der Aufbau der Infrastruktur aber bis 2020 fortgesetzt werden. Für den Zeitraum von 2014 bis 2020 werden zusätzliche 1,9 Milliarden Euro benötigt, eine Summe, die noch über der bereits im Herbst 2010 diskutierten zusätzlich erforderlichen liegt. Damals war über ein vermutliches Anwachsen der Kosten um 1,5 bis 1,7 Milliarden Euro gesprochen worden (raumfahrer.net berichtete). Auch die erwarteten jährlichen Betriebskosten erfuhren eine Steigerung: Bisher war die Europäische Kommission von 750 Millionen Euro pro Jahr ausgegangen, jetzt werden 800 Millionen Euro pro Jahr genannt, eine Zahl, die im Herbst 2010 bereits im Raum stand.

Ab 2014 will man drei Dienste, den offenen Dienst, den öffentlich-staatlichen Dienst (PRS) und den Such- und Rettungsdienst anbieten können, hofft die Europäische Kommission. Dann sollen sich 18 betriebsbereite Galileo-Satelliten im All befinden. Der sicherheitskritische Dienst und der kommerzielle Dienst sollen ab 2014 getestet werden, und erst dann künftigen Nutzern zur Verfügung gestellt werden, wenn Galileo mit 30 Satelliten seine volle Funktionsfähigkeit erreicht hat.

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