Marsrover Spirit: Die Suchkampagne dauert an

Die Suche nach einem Signal des Marsrovers Spirit, welcher sich seit Ende März 2010 in einem aus Energiemangel resultierenden Hibernations-Modus befindet, dauert weiterhin an. Die Mitarbeiter des JPL gehen davon aus, dass eine erneute Kontaktaufnahme bis Mitte November dieses Jahres erfolgen wird.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL, Planetary Society.

NASA, JPL, Animation: Raumfahrer.net
Alle bisherigen Versuche, den seit dem 23. April 2009 in einer “Sandfalle” gefangenen Marsrover Spirit zu befreien, sind gescheitert. Fünf seiner sechs Räder sind tief in den extrem feinen Sand eingegraben.
(Bild: NASA, JPL, Animation: Raumfahrer.net)

Auf seiner Fahrt durch das im Gusev-Krater gelegene “West Valley” brach der von der NASA betriebene Marsrover Spirit am 23. April 2009 durch die dünne Kruste der Oberfläche und versank mit seinen zu diesem Zeitpunkt nur noch fünf funktionsfähigen Rädern tief im darunter befindlichen extrem feinen Sand. Nach mehrmonatigen Analysen und Simulationen der Situation begannen die für die Steuerung des Rovers verantwortlichen “Marsrover-Driver” des Jet Propulsion Laboratory (JPL) in Pasadena/Kalifornien im November 2009 mit den Versuchen, Spirit aus dieser misslichen Lage zu befreien.

In den folgenden Monaten gelang es den Marsrover-Drivern jedoch trotz aller Bemühungen nicht, den Rover aus dieser Sandfalle zu manövrieren und sicheren Untergrund zu erreichen. Als Konsequenz aus den vergeblichen Versuchen und der sich aufgrund des einsetzenden Wechsels der Jahreszeiten immer weiter verschlechternden Energiesituation des ausschließlich solarbetriebenen Rovers teilte die NASA am 12. Februar 2010 mit, dass die Fahrversuche eingestellt werden (Raumfahrer.net berichtete).

Für den Betrieb des Bordrechners, der internen Heizung für die wichtigsten elektronischen Bauteile und die tägliche Kommunikation mit der Erde benötigt Spirit pro Tag etwa 160 Wattstunden Energie. Bereits in wenigen Wochen, so die damaligen Befürchtungen der für die Mission verantwortlichen Mitarbeiter des JPL, wird Spirit aufgrund des immer weiter sinkenden Sonnenstandes und der ungünstigen Ausrichtung des Rovers in Richtung auf die Sonne nicht mehr in der Lage sein, diese Energiemenge zu generieren und sich aufgrund einer negativen Energiesituation in einen speziellen Tiefschlafmodus, den sogenannten “Low Power Mode”, versetzen.

Aufgrund verschiedener Energiesparmaßnahmen wie zum Beispiel der zeitweisen Deaktivierung der internen Heizelemente oder der Reduzierung der Kommunikation zwischen Rover und Kontrollzentrum konnte diese Zeitspanne letztendlich bis Ende März 2010 ausgedehnt werden. Die letzte erfolgreiche Kommunikation zwischen Spirit und dem JPL erfolgte am 22. März 2010. Der nächste Versuch, eine Verbindung zu dem Marsrover herzustellen, scheiterte dagegen am 30. März (Raumfahrer.net berichtete). “Die wahrscheinlichste Erklärung ist, dass Spirit irgendwann zwischen der Kommunikation am 22. März und dem letzten Versuch nicht mehr genug Energie hatte”, so John Callas, der für die Mars Exploration Rover-Mission verantwortliche Projektmanager des JPL. “Die letzten Übertragungen hatten schon darauf hingedeutet, dass sich der Ladezustand der Batterien verschlechtert und sich dem Punkt nähert, zu dem sich Spirit in einen Winterschlaf-Modus schaltet.”

NASA, JPL
Ein Blick durch Spirits vordere HazCam am 26. Januar 2010, dem Sol 2.156 der Rover-Mission. Das linke Vorderrad ist, genau so wie auch die vier mittleren und hinteren Räder, tief im Sand eingegraben.
(Bild: NASA, JPL)

In diesem Hibernations-Modus, so die vorprogrammierte Vorgehensweise, deaktivierte Spirit nach dem Unterschreiten eines bestimmten Ladestandes der Batterien alle nicht unbedingt für den Betrieb des Rovers notwendigen Systeme einschließlich seiner Kommunikationsanlage. Die einzigen durch die Batterien weiterhin mit Energie versorgten Systeme waren eine Missionsuhr, welche dem Rover die aktuelle Zeit mitteilt, und eine interne Heizung. Diese Heizung sollte auch weiterhin bei Bedarf aktiviert werden und dafür sorgen, dass die beiden Hauptbatterien und das Battery Control Board (BCB) innerhalb der “Warm Electronic Box”, in welcher die wichtigsten elektronischen Bauteile des Rovers installiert sind, nicht unterkühlen. Während dieses “Winterschlafs” nutzt der Rover die zwischenzeitlich weiterhin durch die Solarpaneele generierte Energie, um seine Batterien zu laden. Erst nachdem dabei über einen vorgegebenen Zeitraum hinweg ein bestimmter Batterie-Ladestand erreicht wird, soll Spirit seinen Winterschlaf beenden.

In diesem Fall wird sich der Rover einmal pro Tag reaktivieren, seine Funkanlage wieder in Betrieb nehmen und von sich aus versuchen, um 12:15 Uhr lokaler Marszeit, dem Zeitpunkt der vermutlich größten Energieaufnahme durch die Solarpaneele, Kontakt mit seinem Kontrollzentrum auf der Erde aufzunehmen. Für eine erfolgreiche Kommunikation nach diesem Winterschlaf benötigt Spirit allerdings zwingend seine Missionsuhr, denn nur durch diese kann der Rover ermitteln, wie spät es gerade auf dem Mars ist und an welchem Ort die Erde zu diesem Zeitpunkt am Marshimmel steht beziehungsweise zu welchem Zeitpunkt sich der als Kommunikationsrelais eingesetzte NASA-Orbiter Mars Odyssey über dem Gusev-Krater, dem Standort Spirits, befindet.
Auf verschiedenen Temperatur- und Energiemodellen beruhende Berechnungen der NASA geben allerdings Grund zu der Befürchtung, dass der Ladezustand der Batterien während des extrem kalten Marswinters nicht ausgereicht hat, um die Missionsuhr des Rovers mit genügend Strom zu versorgen. Sollte dieser Fall eingetreten sein, so wäre die Uhr irgendwann im Verlauf der letzten Monate stehen geblieben. Mit dem jahreszeitlich bedingten steigenden Sonnenstand würden die Solarpaneele wieder mehr Strom erzeugen und auch die Uhr erneut mit Energie versorgen, welche dann nach einem “Master Clock Reset” bei einem Wert von “Null” zu laufen beginnen würde. Die Kenntnis des aktuellen Datums und der abgelaufenen Missionszeit wäre für den Rover in diesem Fall allerdings verloren. Ohne diese Werte ist Spirit jedoch nicht mehr in der Lage, seine für die Kommunikation mit dem Kontrollzentrum benötigte High-Gain-Antenne (HGA) direkt auf die Erde auszurichten.

Mangels genauer Kenntnis der Position der Erde würden die Kontaktversuche des Rovers allerdings ins Leere laufen, da dieser die HGA-Antenne falsch ausrichten würde. Sollte dieser Fall eintreten, so würde Spirit das Ausbleiben einer Antwort von der Erde nach einer bestimmten Anzahl von Versuchen als eine Beschädigung der HGA-Antenne interpretieren und auf seine UHF-Antenne umschalten, um über diese Antenne eine Verbindung mit dem im Marsorbit befindlichen NASA-Orbiter Mars Odyssey herzustellen. Auch in diesem Fall würde der Verlust der Missionszeit jedoch ein Problem darstellen, denn Spirit kann Mars Odyssey nur dann erreichen, wenn sich der Orbiter aus der Sicht des Rovers über dem Horizont befindet. Dies ist allerdings an jedem Marstag nur für wenige Minuten der Fall.

NASA
Eine künstlerische Darstellung des NASA-Orbiters Mars Odyssey.
(Bild: NASA)

Mars Odyssey und der ebenfalls von der NASA betriebene Mars Reconnaissance Orbiter umrunden den Mars in polaren, sonnensynchronen Umlaufbahnen in einer Höhe von etwa 300 Kilometern, wodurch ein kompletter Orbit einen Zeitraum von rund zwei Stunden beansprucht. In diesem Zeitraum rotiert der Planet langsam unter den Orbitern und da die Drehung des Mars nicht synchron zu den beiden Orbiterbahnen erfolgt, kann so in einem Zeitraum von zwei Wochen nach und nach die gesamte Marsoberfläche erfasst werden.

Für Spirit hat diese Geometrie der Orbiterbahnen zur Folge, dass sich der als Kommunikationsrelais zwischen Erde und Mars eingesetzte Mars Odyssey an bestimmten Tagen jeweils um 3:30 und 15:30 marsianischer Ortszeit ziemlich genau im Zenit über dem Rover und somit für mehrere Minuten innerhalb der Kommunikationsreichweite befindet. Zwei Stunden vor und nach diesen Zeitpunkten erfolgen weitere Überflüge, wobei sich Mars Odyssey dann allerdings weiter im Osten beziehungsweise Westen bewegt und sich dichter über dem Horizont befindet. Je dichter der Orbiter jedoch über dem Horizont steht, desto kürzer fällt dabei das jeweilige Kommunikationsfenster aus und desto schlechter ist auch die Qualität der Funkverbindung. Es ist somit ziemlich offensichtlich, dass Spirit nach einem Neustart der Missionsuhr und einem dadurch bedingten Verlust der Missionszeit kaum eine Chance hätte, von sich aus die Kommunikation mit der Erde oder Mars Odyssey erneut aufzubauen.

NASA, JPL
Drei der 34-Meter-Antennen der DSN-Anlage der NASA in der Mojave-Wüste bei Goldstone/Kalifornien.
(Bild: NASA, JPL)

Aus diesem Grund versucht das JPL seit dem 26. Juli 2010 den Marsrover “auf Verdacht hin” aktiv zu kontaktieren. “Anstatt lediglich nach Signalen Ausschau zu halten, schicken wir dem Rover jetzt auch aktiv Kommandos, welche die Anweisung enthalten, uns ein bestimmtes Kommunikationssignal zu senden”, so John Callas. “Sollte der Rover zufälligerweise gerade wach sein und das Kommando empfangen, so wird er entsprechend reagieren.” Diese Kommandos werden sowohl vom Orbiter Mars Odyssey als auch vom Deep Space Network der NASA (DSN) nach einem bestimmten Zeitplan ausgesandt. Was sich hier in der Theorie vielleicht noch relativ einfach liest, das gestaltet sich in der Praxis allerdings als äußerst kompliziert, denn niemand weiß, in welchem Zustand sich die verschiedenen elektronischen Komponenten des Rovers befinden, wie hoch der aktuelle Ladestand der Batterien zum gegenwärtigen Zeitpunkt ausfällt und wann Spirit gerade “wach” und damit auch empfangsbereit ist.

Das “Wiedererwachen” des Rovers wird unabhängig von einem bestimmten im Vorfeld festgelegten Datum oder Zeitpunkt erfolgen sondern vielmehr ausschließlich durch die zur Verfügung stehende Energiemenge ausgelöst werden. Sollte die Missionsuhr der Rovers zwischenzeitlich ausgefallen sein, so wird Spirit zuerst eine neue Missionszeit setzen. Abhängig vom gegebenen Energiestatus wird der Rover ab jetzt in bestimmten Abständen für mehrere Minuten erwachen und seinen Energiestatus kontrollieren. Die Abstände zwischen den Wachphasen werden durch den jeweiligen ermittelten Landestand der Batterien und die zu diesen Zeitpunkten aus den Solarpaneelen bezogene Energiemenge bestimmt. Verschiedene Modi erlauben dabei Abstände von vier, 21 oder 27 Stunden zwischen den einzelnen Wachphasen. Während dieser kurzen, maximal 20 Minuten langen Wachphasen, kann Spirit dann auch Signale vom DSN oder dem Mars Odyssey-Orbiter empfangen und auf übermittelte Kommandos reagieren.

NASA, JPL-Caltech
Dieses Bild, erstellt aus einer dem Roverdriver-Team zur Verfügung stehenden Software, zeigt die Position der Räder und die Neigung des Rovers.
(Bild: NASA, JPL-Caltech)

Aufgrund der zeitlich sehr befristeten Kommunikationsfenster und der Ungewissheit, ab wann und in welchen Abständen sich diese öffnen, gehen die Ingenieure des JPL davon aus, dass es sich als sehr schwierig gestalten wird, Spirit während der verschiedenen hintereinander erfolgenden kurzen Wachphasen durch eine erfolgreiche Kontaktaufnahme “einzufangen”. Sobald es jedoch gelingt den Kontakt herzustellen könnte man dem Rover dabei neue Befehle übermitteln, welche einen erneuten Rückfall in den “Low Power”-Modus verhindern und eine dauerhafte Kommunikation nach einem neuen, fest geregelten Zeitplan ermöglicht.

Laut der Kalkulationen der Ingenieure des JPL wäre der theoretisch frühestmögliche Zeitpunkt einer erneuten Kontaktierung von Spirit der Zeitraum um den 23. Juli 2010 gewesen. Aufgrund der Erfahrungen der vergangenen Jahre ging man allerdings realistischerweise davon aus, dass sich die Energiesituation des Rovers bis Ende September nicht wirklich entscheidend verbessern würde.

Der einsetzende Sommer auf der nördlichen Hemisphäre des Mars hat alljährlich ein langsames Abschmelzen der nördlichen Polarkappe zur Folge. Aufgrund dieses Schmelzprozesses bildet sich in der Äquatorregion des Planeten in dieser Zeit ein mehr oder minder dichtes Band aus Wassereiswolken. Zusätzlich ist die Atmosphäre in dieser Zeit mit einer dünnen Staubschicht durchsetzt, welche ihre Ursache in den in diesem Zeitraum auftretenden lokalen und regionalen Staubstürmen hat. Beides führt zu einer Eintrübung der Atmosphäre, was wiederum zur Folge hat, dass der Rover trotz des jetzt täglich höheren Sonnenstandes nicht zwingend mehr Solarenergie generieren muss.

Trotzdem sollten sich mit zunehmender Sonnenhöhe über dem Horizont und einer täglich längeren Sonneneinstrahlung die Batterien schließlich soweit aufladen, dass sich die Abstände zwischen den einzelnen Wachphasen verkürzen und Spirit somit auch immer öfter empfangsbereit sein wird. Aus diesem Grund rechnet man am JPL damit, dass es in den nächsten Wochen gelingen sollte, einen erneuten Kontakt mit Spirit herzustellen. Die meisten Ingenieure des JPL nennen dabei die zweite Oktoberhälfte oder den November als den wahrscheinlichsten Termin.

NASA, JPL, Cornell University, Animation: Rasumfahrer_net
In dieser Animation erkennt man in der rechten Bildhälfte einen Dust Devil, welcher am 13. Juni 2009, dem Sol 1.935 der Spirit-Mission, in mehreren Kilometern Entfernung an dem Rover vorbei zog.
(Bild: NASA, JPL, Cornell University, Animation: Raumfahrer.net)

Allerdings sind hierbei mehrere unbekannte Faktoren im Spiel. Während der letzten Marssommer wurden in der Region des Gusev-Kraters immer wieder kleine Wirbelwinde, sogenannte Dust Devils, beobachtet, welche die Solarpaneele von Spirit von den Staubablagerungen befreit haben. Sollten die bei so einem Staubteufel auftretenden Windböen auch jetzt die Solarpaneele von Staubablagerungen befreien, so hätte dies einen unmittelbaren positiven Effekt auf die Energieausbeute des Rovers. Andererseits können eine Zunahme der Staubkonzentrationen oder eine vermehrte Wolkenbildung über dem Standort von Spirit die Energieproduktion jederzeit negativ beeinflussen. Außerdem ist nicht bekannt, ob und in welchem Zustand die empfindliche Elektronik des Rovers den kalten Marswinter mit seinen tiefen Temperaturen überstanden hat. Erst dann, wenn man auch bis zur Sommersonnenwende auf dem Mars im März 2011 noch keinen Kontakt mit dem Rover herstellen konnte, muss man die Mission wohl als verloren ansehen.

Die Teammitglieder der Mars Exploration Rover-Mission sind jedoch fest davon überzeugt, dass die Mission des Robotergeologen Spirit noch nicht beendet ist.

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