In New Norcia im Westen Australiens wurde am 11. Februar 2016 eine neue Antennenanlage für das Bahnverfolgungs- und Kommunikationsnetzwerk ESTRACK der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) offiziell eingeweiht. Sie übernimmt Aufgaben einer zwischenzeitlich stillgelegten Antenne bei Perth.
Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: ESA.
Die neue Anlage entstand auf einem von der ESA bereits genutzten Gelände. Ihre Aufgabe ist die Bereitstellung von Kommunikationsverbindungen zu Raketen und Satelliten. Insbesondere soll die Anlage bei Starts vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch Guayana zum Einsatz kommen. Die Station in New Norcia liegt im von Kourou aus üblicherweise geflogenen Korridor und ist deshalb ideal geeignet, um von Raketen und Raumfahrzeugen Daten zu empfangen und Kommandos zu übertragen.
Größe und Konstruktion der 35-Meter-Antenne sind für die Kommunikation mit Raketen und Satelliten, die gerade ihren Flug begonnen haben und sich nahe der Erde befinden, weniger geeignet.
Seit 2002 betreibt die ESA in New Norcia eine Antennenanlage mit einem Reflektordurchmesser von rund 35 Metern, die in der Vergangenheit insbesondere zur Unterstützung europäischer Missionen zur Erkundung des Sonnensystems wie Mars Express und Rosetta und von Weltraumteleskopen wie Gaia, letzteres rund 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, verwendet wurde.
Die jetzt eingeweihte Antenne hat eine Reflektorschüssel mit einem Durchmesser von 4,5 Metern. Wegen ihrer deutlich geringeren Größe ist sie wesentlich agiler und damit besonders gut dafür geeignet, sich schnell auf gerade gestartete Satelliten auszurichten und während der ersten, kritischen Orbits der Satelliten Kommunikationsverbindungen herzustellen.
Mit der neuen Antenne ist es möglich, Satelliten in einem Erdabstand von bis zu 100.000 Kilometern sowie von Kourou gestartete Ariane-5-, Sojus- und Vega-Raketen zu erfassen und zu verfolgen.
Ein besonderer Modus erlaubt es darüber hinaus, die Steuerung der großen 35-Meter-Antenne in New Norcia zu übernehmen, um diese exakt auszurichten und dann mit ihrer Hilfe Bahn- und Telemetriedaten mit höherer Datenrate zu gewinnen, als es mit der kleinen Antenne alleine möglich wäre.
Neben dem Einsatz bei Starts von Kourou wird die neue Antenne laut Plan zum Beispiel zur Kommunikation mit Galileo-Navigationssatelliten, zur Unterstützung der Merkur-Mission BepiColombo und im Rahmen des ExoMars-Programms zum Einsatz kommen. Erste Erfolge konnte die Anlage bereits im Dezember 2015 für sich verbuchen, als sie testweise zur Verfolgung von LISA Pathfinder genutzt wurde.
Beide Antennen in New Norcia sind in das Bahnverfolgungs- und Kommunikationsnetzwerk ESTRACK integriert. Über dieses Netzwerk ist es möglich, Raumfahrzeuge vom Europäischen Raumfahrtkontrollzentrum (ESOC) in Darmstadt aus zu überwachen und zu steuern. Das Kernnetz des ESTRACK besteht derzeit aus neun Stationen in sieben Ländern der Erde.
Entwurf, Bau und Aufstellung der neuen Antenne und ihre Integration in die Infrastruktur der Station New Norcia kosteten die ESA eigenen Angaben zufolge rund sechs Millionen Euro. Zentraler Anlass für die Einrichtung der neuen Anlage in New Norcia war die Erfordernis einer Verlagerung von Bahnverfolgungs- und Kommunikationseinrichtungen der ESA innerhalb Australiens.
Rund 140 Kilometer südwestlich von New Norcia nutzte die ESA jahrelang bei Perth auf einem Gelände des Perth International Telecommunications Centre (PITC) eine Anlage mit einer Antenne mit einem Schüsseldurchmesser von 15 Metern zur Bahnverfolgung und zur Kommunikation mit Raumfahrzeugen. Innerhalb von 30 Jahren unterstützte die Station bei Perth zahlreiche bedeutende Missionen der ESA. Darunter sind solche wie Cluster, Giotto, Hipparcos, SMART 1 und XMM Newton.
Im Jahre 2009 war der Einsatz der Station beim Doppelstart der beiden Weltraumteleskope Herschel und Planck auf der Ariane-5-Rakete mit der Flugnummer V188 angezeigt.
2013 verfolgte die Antenne bei Perth den Flug der Sojus-Rakete mit Gaia an Bord. Ohne dass vorher ein praktischer Test möglich gewesen wäre, funktionierte die Antenne bei diesem besonderen Einsatz wie vorgesehen.
Zu Beginn der Mission von LISA Pathfinder zeigte die Anlage noch einmal ihre Nützlichkeit. Sie erlaubte die Vorbereitung, Einleitung und Überwachung der sechs Bahnanhebungsmanöver der bereits erwähnten Sonde LISA Pathfinder und ihren erfolgreichen Einschuss in den vorgesehenen Zielorbit rund 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt.
Der letzte mit der Antenne bei Perth unterstützte Start war der von zwei Galileo-Navigationssatelliten auf einer Sojus-Rakete am 17. Dezember 2015.
Eine sich immer weiter ausdehnende Besiedlung im Gebiet Perth, in immer geringerem Abstand eingesetzte Fernsehübertragungswagen und der Bedarf der Einwohner, Institutionen und Gewerbebetriebe an Mobilkommunikation machten den Einsatz der ESA-Anlage bei Perth immer mehr zu einer Herausforderung.
Da eine gemeinschaftliche Nutzung der benötigten Frequenzbereiche nicht sinnvoll möglich ist und ein Auftreten von unerwünschten Interferenzen nicht zu vermeiden, war eine Veränderung letztlich unausweichlich. Mit Wirkung zum 31. Dezember 2015 entzog die Australian Communication and Media Authority (ACMA) der ESA schließlich nicht unerwartet auch die Nutzungsgenehmigung für bestimmte Frequenzbereiche.
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