In den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entwickelten Wissenschaftler der amerikanischen Weltraumbehörde NASA den Plan, eine aus zwei Rovern bestehende Robotermission zu unserem äußeren Nachbarplaneten, dem Mars, zu entsenden. Opportunity, der zweite der beiden an dieser Mission beteiligten Rover, landete heute vor acht Jahren auf dem Mars.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL, Planetary Society, Unmanned Spaceflight.
Das primäre Ziel dieser aus zwei baugleichen Rovern bestehenden Robotermission, so die gestellte Zielsetzung der NASA, sollte die Suche nach Anzeichen für ein früheres Vorhandensein von flüssigem Wasser auf der Oberfläche unseres Nachbarplaneten sein. Insbesondere sollten dazu die Zusammensetzung und Verteilung von Mineralien und Gesteinen in der unmittelbaren Umgebung der Landestellen der Rover untersucht werden. In Anlehnung an ihre instrumentarischen Ausstattung mit verschiedenen Spektrometern, diversen Kamerasystemen, einem Mikroskop und einem Gesteinsbohrer werden die beiden Rover Spirit und Opportunity deshalb auch als „Robotergeologen“ bezeichnet.
Was von der NASA anfangs als eine Mission von lediglich 90 Tagen Dauer geplant war, entwickelte sich im Laufe der folgenden Jahre zu einer nahezu unvergleichlichen Erfolgsgeschichte. Sowohl aus technischer als auch aus wissenschaftlicher Sicht übertrafen die beiden Rover selbst die optimistischsten Erwartungen bei Weitem.
Heute vor acht Jahren, am 25. Januar 2004, landete Opportunity, der zweite der beiden an dieser Mission beteiligten Rover, um 06:05 Uhr MEZ etwa zwei Grad südlich des Marsäquators auf der Hochebene Meridiani Planum. Nur wenige Tage danach begann der Robotergeologe mit seiner Untersuchung der Marsoberfläche. In den folgenden Jahren bewegte sich der Rover über eine Distanz von über 34 Kilometern und untersuchte dabei neben verschiedenen signifikanten Bodenstrukturen diverse auf dem Weg gelegenen Krater und mehrere Meteoriten (Raumfahrer.net berichtete mehrfach). Aufgrund der während dieser Untersuchungen gesammelten Daten kann es mittlerweile als gesichert angesehen werden, dass auf der Oberfläche des Mars vor Jahrmilliarden Wasser geflossen ist, welches seine deutlich nachweisbaren Spuren auf der Marsoberfläche hinterlassen hat.
Auf seinem Weg über das Meridiani Planum erreichte Opportunity schließlich am 9. August 2011, dem Sol 2.681 der Mission, den Endeavour-Krater (Raumfahrer.net berichtete). Opportunity befand sich jetzt direkt an der Südspitze des Cape York, einer mehrere hundert Meter langen und nur wenige Meter hohen Geländeerhebung, welche sich direkt am westlichen Rand dieses etwa 22 Kilometer durchmessenden Kraters befindet.
Nach dem Abschluss erster Bodenanalysen in dieser Region (Raumfahrer.net berichtete) wurde die Fahrt am 1. September 2011, dem Sol 2.703 der Mission, fortgesetzt. Opportunity bewegte sich dabei im Rahmen mehrerer Etappen in die nördliche Richtung, wobei die Fahrt immer wieder kurz unterbrochen wurde, um verschiedene geologisch interessant erscheinende Bodenstrukturen näher zu untersuchen. Unter anderem gelang den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern dabei der Nachweis von Gipsadern im Marsboden (Raumfahrer.net berichtete).
Das Ziel des Rovers war der nördliche Rand des Cape York, wo Opportunity den kommenden Marswinter verbringen wird. Der Grund hierfür ist die Energieversorgung des Rovers, welche ausschließlich durch Sonnenenergie erfolgt. Neben der Lichtdurchlässigkeit der Marsatmosphäre und der Höhe des Sonnenstandes über dem Horizont ist dabei der Bedeckungsgrad der Solarpaneele mit Staubpartikeln entscheidend für die täglich generierte Menge an Strom.
Für den Betrieb seines Bordrechners, einer internen Heizung für die wichtigsten elektronischen Bauteile und für die tägliche Kommunikation mit der Erde benötigt der Rover pro Tag ein Minimum von etwa 160 Wattstunden Energie. Eine Auswertung des Verlaufs des Staub-Bedeckungsgrades der Solarpaneele und ein Vergleich mit den Werten der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass die Solarpaneele gegenwärtig mit deutlich mehr Staub bedeckt sind als in den vergleichbaren Zeiträumen der Vorjahre.
Aus diesem Grund wurde bereits vor mehreren Monaten am JPL eine sogenannte „Winter Planning Group“ ins Leben gerufen, welche sich mit der zukünftig zu erwartenden Energiesituation und den daraus resultierenden Möglichkeiten für einen Weiterbetrieb des Rovers während der kommenden Wintermonate auf dem Mars auseinander setzen sollte. Die Planungsgruppe kam zu dem Ergebnis, dass die tägliche Energieausbeute von Opportunity bei einer Beibehaltung des bisherigen Trends bis zur Wintersonnenwende auf dem Mars – diese erfolgt am 30. März 2012 – bis auf einen Wert von nur noch rund 200 Wattstunden Energie pro Sol abfallen könnte.
Deshalb, so die Empfehlung der Planungsgruppe, soll Opportunity den diesjährigen Mars-Winter an einem nach Norden gerichteten Hang verbringen. Dadurch würden die Solarpaneele automatisch in Richtung auf die Sonne ausgerichtet, was eine höhere tägliche Energieausbeute zur Folge haben würde. Ein solches „Überwintern“ in einem Winterquartier war in den vergangenen Jahren lediglich bei dem weiter südlich operierenden Zwillingsrover von Opportunity, dem mittlerweile nicht mehr aktiven Rover Spirit, notwendig.
Als Winterquartier, so die Planungsgruppe, bietet sich der nördliche Bereich des Cape York an. Die von der HiRISE-Kamera an Bord des Marsorbiters Mars Reconnaissance Orbiter aufgenommenen Bilder und die daraus entwickelten digitalen Gelände- und Höhenmodelle der Region rund um das Cape York zeigten, dass sich in diesem Gebiet verschieden Hänge befinden, welche eine Neigung von bis zu 15 Grad in die nördliche Richtung aufweisen.
Mit der aus einer solchen Neigung resultierenden erhöhten Energiegewinnungsrate, so die Planungsgruppe, sollte der Rover auch während der kommenden Wintermonate weiterhin in der Lage sein, seine wissenschaftliche Aktivitäten in Form von weiteren Fotoaufnahmen und spektroskopischen Messungen durchzuführen. Ab dem Juni 2012, so die Einschätzung, sollte dann wieder genügend Energie zur Verfügung stehen, um die Fahrt fortzusetzen.
Opportunity hat sein nach Dr. Ronald Greeley – einem am 27. Oktober 2011 verstorbenen Mitglied des Rover-Wissenschaftsteams von der Arizona State University – benanntes Winterquartier „Greeley Haven“, einen um etwa 15 Grad nach Norden geneigten kleinen Hang, im Dezember 2011 erreicht und mittlerweile mit den dort während seiner notwendigen „Zwangspause“ geplanten Untersuchungen der Oberfläche begonnen. Einige der vorgesehenen wissenschaftlichen Experimente nutzen dabei den Umstand aus, dass der Rover in den kommenden fünf Monaten aller Voraussicht nach nicht mehr bewegt werden kann.
Neben Mikroskopaufnahmen der Oberfläche und Messungen mit dem APXS-Spektrometer sind so zum Beispiel auch ausführliche und längerfristige Messungen mit dem Mößbauer-Spektrometer vorgesehen. Dieses Instrument macht sich den sogenannten Mößbauer-Effekt zunutze, um bei der Analyse von Gesteins- und Bodenproben eisenhaltige Mineralien nachzuweisen und dadurch zum Beispiel auch Aussagen über eine zu einem früheren Zeitpunkt erfolgte Interaktion der Oberfläche mit Wasser zu ermöglichen.
Das Instrument sendet dabei mittels einer radioaktiven Quelle, es handelt sich um Kobalt-57, Gammastrahlen aus, welche auf den zu untersuchenden Oberflächenbereich auftreffen und von diesem reflektiert werden. Die Unterschiede zwischen dem ursprünglich ausgesandten und dem anschließend wieder empfangenen Spektrum geben Auskunft über die genaue Zusammensetzung der eisenhaltigen Mineralien auf der Planetenoberfläche, welche übrigens auch für die rötliche Färbung der Oberfläche des Mars verantwortlich sind. Das „MIMOS II“ genannte Mößbauer-Spektrometer der Rover-Mission wurde unter der Leitung von Dr. Göstar Klingelhöfer am Institut für Anorganische und Analytische Chemie an der Johannes Gutenberg Universität in Mainz entwickelt und gebaut.
Allerdings verfügt das verwendete Kobalt-57 nur über eine Halbwertzeit von 271 Tagen, was entsprechende Messungen des Spektroskops nach einer Missionsdauer von acht Jahren mittlerweile sehr zeitaufwändig ausfallen lässt. Messungen, welche zu Beginn der Mission einen Zeitraum von nur wenigen Stunden beanspruchten, dauern mittlerweile viele Tage. Für die Gewinnung eines detaillierten und aussagekräftigen Spektrums benötigt Opportunity inzwischen mehrere Wochen. Von daher sind Mößbauer-Messungen mittlerweile nur noch dann sinnvoll, wenn der Rover über einen längeren Zeitraum zur Bewegungslosigkeit gezwungen ist. Zuletzt war dies während der Sonnenkonjunktion im Januar/Februar 2011 der Fall (Raumfahrer.net berichtete).
Eine erste Messung des Mößbauer-Spektrometers hatte ab dem 1. Januar 2012 eine mit dem Namen „Amboy“ belegte Gesteinsformation zum Ziel. Nach der Auswertung der dabei gewonnenen Daten soll jetzt entschieden werden, ob die Messungen an diesem Punkt der Oberfläche fortgesetzt werden.
Ebenfalls seit dem 1. Januar wird zudem ein sogenanntes „Radio Science“-Experiment durchgeführt, bei dem durch indirekte Messungen eine Analyse des inneren Aufbaus unseres Nachbarplaneten erfolgen soll. Durch die präzise Messung der Doppler-Signaturen der von dem Rover ausgesandten Funksignale wollen die an der Mission beteiligten Wissenschaftler Daten über die Rotation und Achsenausrichtung des Mars gewinnen. Durch diese Daten lassen sich wiederum Rückschlüsse über den inneren Aufbau des „Roten Planeten“ ziehen.
Speziell, so John Callas – Projektmanager der Opportunity-Mission am JPL – erhoffen sich die Wissenschaftler dabei Daten über die Ausdehnung und Dichte des Kerns und über die dort vorherrschenden Masseverteilungen. Für eine erfolgreiche Durchführung dieses Experiments darf Opportunity allerdings für einen Zeitraum von mindestens zwei Monaten nicht bewegt werden. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass entsprechende Messungen sogar über einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten erfolgen müssen, um genügend Daten für den erfolgreichen Abschluss des Experiments zu sammeln. Selbst minimalste in diesem Zeitraum erfolgende Veränderungen der Position und Ausrichtung des Rovers könnten die Messergebnisse verfälschen und die zuvor gewonnenen Daten unbrauchbar machen.
Zudem wird die gegenwärtige Bewegungslosigkeit des Rovers dazu genutzt, um mit den beiden Optiken der Panoramakamera ein hochaufgelöstes 360-Grad-Panorama der Umgebung zu erstellen. Diese hochauflösende Stereokamera verfügt über 13 unterschiedliche Filter. Durch die Verwendung verschiedener Filter lassen sich nicht nur Farbbilder erzeugen, welche die Umgebung in „Echtfarben“ darstellt, sondern auch sogenannte Falschfarbenbilder. Diese Bilder dienen den Wissenschaftlern dazu, die Steine und Böden auf der Planetenoberfläche spektral zu analysieren und so gegebenenfalls neue potentielle Untersuchungsziele auszuwählen. Die finale Version des zu erstellende „Greeley-Panoramas“ wird von den Spezialisten des JPL und der Cornell University aus mehreren hundert Einzelaufnahmen der Panoramakamera zusammengesetzt werden.
Aufgrund der aktuellen Energiesituation des Rovers – bedingt durch den niedrigen Sonnenstand während des Marswinters und des hohen Bedeckungsgrades der Solarpaneele mit Staub – wird Opportunity aller Voraussicht nach bis zum Juni 2012 zur Bewegungslosigkeit verdammt sein und seine Weiterfahrt erst nach einem deutlich erkennbaren Anstieg der täglich zur Verfügung stehenden Energiemenge fortsetzen.
Letztendlich wird erst die Zukunft zeigen, wie lange Opportunity bei Greeley Haven verweilen muss. „Wir werden sehen, wie sich die Dinge entwickeln“, so Dr. Steve Squyres von der Cornell University, der Principal Investigator der Mars Exploration Rover-Mission. „Wir werden ein Auge auf die Energiesituation werfen und wir werden ein Auge auf den Staub in der Atmosphäre und auf den Solarpaneelen haben. Und wir werden weiterfahren, sobald die Lage als sicher genug dafür erscheint. Nicht früher und nicht später.“
Einen Überblick über die Entwicklung der Energiewerte von Opportunity während der letzten Wochen gibt die folgende Auflistung. Der Tau-Wert steht dabei für die Durchsetzung der Marsatmosphäre mit Staub und Wassereiskristallen. Je mehr Staub sich in der Atmosphäre des Planeten befindet, desto höher fällt dieser Wert aus. Der Wert für die Lichtdurchlässigkeit der Solarzellen gibt dagegen an, wie viel Sonnenlicht die Solarpaneele trotz einer bedeckenden Staubschicht erreicht und letztendlich zur Energiegewinnung genutzt werden kann. Je niedriger der Tau-Wert und je höher der Faktor für die Lichtdurchlässigkeit ausfällt, desto besser ist dies für den Energiehaushalt des Rovers.
- 06.12.2011: 0,305 kWh/Tag , Tau-Wert 0,755 , Lichtdurchlässigkeit 48,70 Prozent
- 13.12.2011: 0,302 kWh/Tag , Tau-Wert 0,714 , Lichtdurchlässigkeit 48,60 Prozent
- 22.12.2011: 0,297 kWh/Tag , Tau-Wert 0,645 , Lichtdurchlässigkeit 46,90 Prozent
- 27.12.2011: 0,290 kWh/Tag , Tau-Wert 0,685 , Lichtdurchlässigkeit 47,50 Prozent
- 03.01.2012: 0,287 kWh/Tag , Tau-Wert 0,735 , Lichtdurchlässigkeit 48,10 Prozent
- 11.01.2012: 0,281 kWh/Tag , Tau-Wert 0,697 , Lichtdurchlässigkeit 47,10 Prozent
- 17.01.2012: 0,276 kWh/Tag , Tau-Wert 0,602 , Lichtdurchlässigkeit 44,70 Prozent
Besonders auffällig ist hierbei die während der letzten Wochen erfolgte Verbesserung des Tau-Wertes, welche allerdings auch eine Zunahme des Bedeckungsgrades der Solarpaneelen zur Folge hatte und deshalb mit einer Abnahme der zur Verfügung stehenden Energiemenge einher ging. Ein aus wissenschaftlicher Sicht positiver Nebeneffekt der verbesserten atmosphärischen Bedingungen: Je weniger Staub sich in der Marsatmosphäre befindet, desto besser fällt die Qualität der von der Panoramakamera erstellten Fotos aus.
In seiner finalen Version dürfte das geplante „Greeley-Panorama“ einen spektakulären Ausblick über den Endeavour-Krater ermöglichen.
Die für die Planung der Mission verantwortlichen NASA-Mitarbeiter gingen davon aus, dass Opportunity unter sehr günstigen Umständen für einen Zeitraum von höchstens etwa 180 Tagen einsatzfähig sein würde. In dieser Zeit, so die ursprüngliche Einschätzung, würde Opportunity etwa 600 bis 900 Meter auf der Marsoberfläche zurücklegen können. Die Realität hat diese Erwartungen mittlerweile bei Weitem übertroffen.
Bis zum heutigen Tag, dem Sol 2845 der Mission, hat Opportunity insgesamt 34.361,37 Meter auf der Oberfläche des Mars zurückgelegt und dabei über 164.200 Bilder von der Oberfläche und der Atmosphäre des Roten Planeten aufgenommen und an sein Kontrollzentrum in Pasadena/Kalifornien übermittelt. Durch die im bisherigen Missionsverlauf gesammelten Daten wurde das Wissen der Menschheit über den Mars ungemein erweitert.
Nach dem Ende der jetzigen Zwangspause wird der Rover seine Fahrt fortsetzen und sich dabei in die südliche Richtung bewegen. Dort soll Opportunity im Bereich des Cape Tribulation – einer weiteren Erhebung am Rand des Endeavour-Kraters – die zuvor in dieser Region vom Marsorbiter Mars Reconnaissance Orbiter aufgespürten Ablagerungen von Tonmineralen suchen und diese anschließend näher untersuchen. Auch in der Zukunft wird uns dieser äußerst erfolgreiche Kundschafter der Menschheit somit mit vielen neuen Erkenntnissen und Fotodokumenten von unserem Nachbarplaneten überraschen.
Verwandte Meldungen:
- Rover Opportunity entdeckt Gipsadern im Marsboden (11. Dezember 2011)
- Opportunity auf dem Weg zum Winterquartier (17. November 2011)
- Opportunity: Die Bodenuntersuchungen haben begonnen (3. September 2011)
- Marsrover Opportunity hat das Cape York erreicht (10. August 2011)
- Marsrover Opportunity: Endeavour-Krater Voraus! (28. Juli 2011)
- Opportunity überschreitet die 30-Kilometer-Marke (2. Juni 2011)
- Marsrover Opportunity setzt seine Fahrt fort (24. März 2011)
- Zwangspause für den Marsrover Opportunity (25. Januar 2011)
- Marsrover Opportunity erreicht Santa Maria (16. Dezember 2010)
- Marsrover Opportunity ist auch weiterhin auf Ostkurs (15. Oktober 2010)
Raumcon-Forum:
Verwandte Artikel:
Verwandte Seiten: