Orbitale Leuchtfeuer – Satellitenbeobachtung

Raumfluggeräte werden mit Raketen ins All gestartet, das All ist weit weg – aus den Augen, aus dem Sinn?

Autor: Christian Ackermann

Der nächtliche Sternenhimmel – viele Satelliten überziehen ihn ständig.

Manche Raumflugkörper entschwinden zwar nach unserem Ermessen tatsächlich in die Unendlichkeit, machen sich aber zumindest sporadisch durch wissenschaftlich und oft auch ästhetisch befriedigende Bilder in den Medien bemerkbar. Aber auch die unzähligen erdumkreisenden Kollegen sind nach ihrem Start nicht verschwunden, vielen kann man, während sie ihre Arbeit verrichten, auf die “Finger” oder besser: Solarpanele gucken. Oder man hält einfach nur Leichenbeschau.

Wenn es Nacht ist auf der Erde und die Sonne außerhalb der Dämmerungszeit nicht zu tief unter der Horizontlinie steht (im Sommer unserer Breitengrade ist diese Bedingung sogar die ganze Nacht über erfüllt, jetzt im Winter ist das Zeitfenster sehr kurz), dann scheint sie beispielsweise 1000 km über unseren Nasen durchaus noch oder schon. Und jeder Satellit, der diese Region durchkreuzt, reflektiert ihr Licht zurück zur Erde. Nun befinden sich die Mehrheit der knapp 9000 katalogisierten Satelliten (in der Hauptsache aktive und inaktive Nutzlasten, ausgediente Raketenstufen und so manches Trümmerteil) auf kreisförmigen Umlaufbahnen unterhalb 1000 km Höhe und damit der Oberfläche und einem potentiellen Beobachter sehr nahe. Ist ein solches Objekt ausreichend groß und seine Oberfläche hell genug (letzteres ist meistens der Fall), dann wird man auf der Erde keine Schwierigkeiten haben, es auch mit unbewaffnetem Auge zu erkennen. Auf die Geometrie der Sichtung kommt es natürlich auch noch an: so hat man geringe Chancen, einen Satelliten am Abend im Westen zu erkennen, weil in dieser Richtung unter dem Horizont auch die Sonne steht und man mithin die unbeleuchtete Seite des Satelliten sieht.

Als kürzlich die Internationale Raumstation mit einer Anordnung großer Solarpanele ausgestattet wurde, da geisterte die Meldung durch die Presse, daß die ISS nun auch mit bloßem Auge am Nachthimmel zu sehen wäre – Unsinn, sie war seit dem Start des ersten Moduls im November 1998 bereits eines der auffälligsten Objekte am Himmel. Denn sehr groß muß ein Körper tatsächlich nicht sein, um in Augenschein zu treten. Derzeit gibt es etwa 160 Objekte im Erdorbit, die regelmäßig sichtbar werden. Neben der ISS gehört dazu natürlich auch die russische Raumstation Mir, weitere wären etwa die Lacrosse Radar-Spionagesatelliten der NSA oder das Hubble Teleskop (das allerdings von Deutschland aus nie zu sehen ist, weil seine Bahn nur zwischen dem 28. nördlichen und südlichen Breitengrad verläuft).

Die ISS ist am Nachthimmel der hellste “Stern”, wenn sie denn zu sehen ist.
(Bild: NASA)

Daneben findet man unter den “Sichtbaren” diverse wissenschaftliche Satelliten und jede Menge sowjetische Raketenstufen. Zu diesen regelmäßigen Gästen gesellen sich dann noch etwa doppelt so viele, die man unter etwas günstigeren Bedingungen zu Gesicht bekommen kann.

Satelliten erscheinen dem Beobachter wie mehr oder minder helle Sterne, je nach ihrer Größe und Entfernung. Mitunter kann man auch beobachten, wie ein schwach scheinender Satellit plötzlich hell aufleuchtet: durch Zufall hat es sich dann ergeben, daß man in den Strahlungswinkel einer Struktur geraten ist, die das Licht gerichtet reflektiert. Solche “Flares” konnten früher stets nur per Zufall beobachtet werden. Diese Situation hat sich seit 1997/98 mit dem Aufbau der Iridium-Satellitenkonstellation geändert. Diese von Motorola gefertigten Geräte dienen der Ver- und Übermittlung von Mobiltelefongesprächen weltweit. Zur Zeit sind 86 Stück (davon neun defekt) auf jeweils 776 km hohen Orbits so verteilt, dass sich in einer Sichtlinie zu jedem beliebigen Ort der Erde jeweils zumindest einer befindet. Wegen ihrer geringen Größe kann man Iridiums im Normalfall nur mit einem Fernglas erkennen. Sie besitzen aber jeweils drei schräg nach unten zur Erde gerichtete, 188 × 86 cm große Antennen, die zum thermischen Schutz mit silberbeschichtetem Teflon (nach anderer Quelle: mit aluminiumbedampfter Mylarfolie) überzogen sind und daher einem planen Spiegel gleichen. Da diese Satelliten im Betriebszustand eine sehr exakt eingehaltene Lage im Raum einnehmen, läßt sich für einen gegebenen Ort auf die Sekunde genau berechnen, wann es zu einer direkten Reflexion des Sonnenlichts hin zu einem Beobachter kommt. Diese Flares ereignen sich für einen Standpunkt etwa einmal in ein bis zwei Wochen und sie sind überaus beeindruckend: Der Satellit wird plötzlich sichtbar, seine Helligkeit nimmt stetig zu, bis er für wenige Sekunden die Helligkeit der Venus um das etwa 25-fache übertreffen kann! Flares dieser Ausprägung lassen sich auch am Taghimmel beobachten, bei Nacht werfen Gegenstände in diesem Lichtglanz einen deutlichen Schatten. Von “Flares” spricht man allerdings auch dann, wenn die Sonnenscheibe nicht zu 100% reflektiert wird – solche weniger ausgeprägten Erscheinungen ereignen sich meist mehrfach täglich.

Informationen über das Auftreten von Iridium-Flares gibt Heaven’s Above. Wichtig dabei ist die möglichst exakte Kenntnis der geographischen Koordinaten seines Beobachtungsortes; die Page hält daher eine umfangreiche weltweite Ortsdatenbank bereit, der man diese Informationen entnehmen kann. Lebt man in einer größeren Stadt, dann sollte man seine Koordinaten zumindest auf den Stadtteil genau kennen. Diese Exaktheit ist vor allem für die Sichtung maximal heller Flares notwendig, da der Winkel größter Reflexion sehr klein und die Helligkeit einen Kilometer abseits bereits beträchtlich geringer ist.
Heavens-above informiert darüber hinaus auch über Sichtungsmöglichkeiten weiterer Satelliten, insbesondere sollte man vielleicht noch versuchen, einen letzten Blick auf die Mir zu werfen, die ja Ende Februar nun endgültig über dem Pazifik zum Absturz gebracht werden soll.

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