Die Mission der ISS-Expedition 8
Autor: Günther Glatzel.
Sojus-TMA 3 koppelte am 20. Oktober, 7:16 Uhr UTC an der Internationalen Raumstation an. Zunächst absolvierte man das Programm der europäischen Mission Cervantes, zu dem 22 wissenschaftliche Experimente gehörten. Davon betrafen 2 die Physik, 4 die Biologie und 4 die Humanphysiologie. Die übrigen gehörten zu den Forschungsfeldern Technologie und Bildung.
Auf dem Gebiet der Lebenswissenschaften wurden die Auswirkungen der Mikrogravitation auf die Mobilität, das Befinden und die Alterung von Fliegen der Gattung Drosophila Melanogaster untersucht. Dazu waren Stämme dreier verschiedener Phenotypen in einem speziellen Apparat (Aquarius B) untergebracht. Insbesondere die Unterschiede im Verhalten von langlebigen, kurzlebigen und stark gravitations-abhängigen Fliegen wurden untersucht (Experiment Ageing). Außerdem wurden an Embryos der Fruchtfliege Drosophila Melanogaster die Auswirkungen der Weltraumbedingungen auf die Genfunktion studiert (Gene Expression). Dabei wurde erforscht, wie gut die gengesteuerte Produktion lebensnotwendiger Moleküle (meist Proteine) funktioniert. Zum Forschungsprogramm gehörten auch die Untersuchung der Auswirkungen der Weltraumbedingungen auf Struktur und Funktion von Wurzelzellen der Ackerschmalwand Arabidopsis Thaliana (Root), regelmäßige Blutdruckmessungen über 24 Stunden (BMI-2) sowie das Studium der visuellen, vestibularen und proprioceptiven Informationsverarbeitung in verschiedenen Situationen (Neurocog 2).
Dazu trugen die Probanden Helme, über die sie in einer virtuellen Realität agieren mussten. Gemessen wurden räumliche Orientierung, Wahrnehmung und Erinnerung. Proprioceptive Informationen sind gleichgewichtsähnliche Gefühle, die aus Rezeptoren in den Gelenken stammen. Interessant war auch das Experiment Winograd, bei dem sogenannte Winograd-Linien untersucht wurden. Dabei handelt es sich um Bakteriengruppen, bei denen die Abfallprodukte der einen Bakterienart einer anderen als Nahrung dienen. Von außen muss lediglich Licht zugeführt werden. Das Experiment gelangte bereits im August in die Station.
Im Rahmen von Cardiocog 2 wurde die Regulation von Blutdruck, Puls und Atmung im Verlaufe von kognitiven Tests gemessen. Dadurch wollte man neue Erkenntnisse über Veränderungen im cardiovaskulären System des Menschen gewinnen. Weitere Untersuchungen galten der sympathoadrenalen Aktivität in der Schwerelosigkeit (Sympato 2), der Durchführbarkeit bestimmter medizinischer Handlungsabläufe (MedOps), der genetischen Entwicklung von Bakterien (Message 2) und der Beobachtung der Kristallisation mittels einer holografischen Mikroskopkamera (Promiss 2). Ebenfalls erforscht wurden Bildung und innere Kräfte poröser Festkörpermaterialien, sogenannter Zeolite (NanoSlab 2). Gebiltet wurden die Zeolite aus einem Ammoniumhydroxid (ZSM 5) und einem Aluminiumsilikat (Silicalith 1). Derartige Materialien lassen sich als Membranen zur Gastrennung einsetzen, wobei die Porengröße entscheidend ist. Diese lag bei den genannten Stoffen im Subnanometerbereich. Auf dem Programm standen außerdem Tests ergonomischer Knie-Halterungen für Astronauten (Crew Restraint), die Erprobung einer 3D-Kamera mit zwei Objektiven, die im Augenabstand gleichzeitig zwei Bilder machte (3D Camera), die Beobachtung von Blitzen und Sprites (luminiszierendes Glühen über Gewittergebieten in einer Höhe von 50 – 90 km) in der Atmosphäre (LSO-S) sowie verschiedene Experimente für Bildungszwecke. So wurde beispielsweise die Wirkung der Newtonschen Gesetze (Video 2), die Bewegung von Kugeln verschiedener Größen in einem Rüttelbehälter (Thebas) oder die Rotation starrer Körper (Apis) in der Schwerelosigkeit demonstriert und gefilmt.
Der ESA-Astronaut Pedro Duque kehrte nach knapp 10 Tagen mit der 7. Stammbesatzung der Internationalen Raumstation und deren Raumschiff am 28. Oktober zur Erde zurück. Die beiden erfahrenen Raumfahrer Foale und Kaleri bildeten die Crew der Expedition 8. Hauptaufgabe war die Wartung und Instandhaltung der Systeme der Raumstation. Daneben betreute man einige ganze Reihe wissenschaftliche Experimente auf den Gebieten Erderkundung, Medizin, Biologie, Physik und Raumfahrttechnologie.
Erderkundung und Atmosphärenforschung
Beim Experiment Crew Earth Observation (CEO) ging es um die Beobachtung und Dokumentation besonderer Formationen und Ereignisse auf der Erde. Dazu zählten u.a. große Flussdeltas, Korallenriffe, Überflutungsgebiete, Gletscher, Gebirge, Einschlagkrater, Erdfalten, ökologisch sensitive Flächen, Wetterphänomene aber auch Brände und Katastrophengebiete. Erfasst wurden diese Phänomene sowohl mit automatischen Systemen (Window Observational Research Facility WORF) als auch mit Handkameras. Zum Komplex Exploration Research (ESTER) gehörte das Fotografieren kurzlebiger Phänomene auf der Erde und der Auswirkungen dieser Ereignisse. Dazu zählten beispielsweise Wirbelstürme oder vulkanische Aktivitäten aber auch die Planktonblüte. Diatomeja untersuchte die geografische Stabilität und Konfiguration bioproduktiver Zonen in den Weltmeeren. Dazu wurden bei jedem Überflug automatisch Videobilder dieser Gebiete gemacht. Im Rahmen von Earth Knowledge Acquired by Middle School Students (EarthKAM) wurden durch das große Fenster im Destiny-Modul Bilder verschiedener Regionen der Erde gemacht und zur Erde übertragen. Die Steuerung der Kamera wurde dabei von Schülern in Amerika, Europa oder Asien übernommen. Auch die Auswertung der geografisch, geologisch, ökologisch oder biologisch bedeutsamen Aufnahmen geschah eigenverantwortlich. Die Kamera wurde für diese Untersuchungen in einer speziellen Halterung montiert. Entwicklung und Test von Boden- und Weltraum-gestützten Untersuchungsmethoden zur Vorhersage von natürlichen oder durch den Menschen verursachten Katastrophen war das Ziel des Experiments Uragan. Molnija SM untersuchte die elektrodynamischen Interaktionen zwischen Erdatmosphäre, Ionosphäre und Magnetosphäre bei Gewittern oder seismischen Aktivitäten.
Medizin
Im Rahmen des Experimentes Biopsy wurde den Raumfahrern vor und nach dem Flug Gewebe aus der Wadenmuskulatur entnommen. Dadurch ließen sich Muskelveränderungen durch einen längeren Aufenthalt in der Schwerelosigkeit genauer feststellen. Bei Cardio ODNT wurde die Herzaktivität der Raumfahrer bei sportlicher Belastung gemessen. Bei Untersuchungen zu Chromosomal Aberations in Blood Lymphocytes of Astronauts wurde der mutagene Einfluss ionisierender Strahlung auf die Chromosomen der Lymphozyten erforscht. Dazu wurden Vergeiche der Lymphozyten vor und nach dem Raumflug angestellt.
Zwischenmenschliche und kulturelle Faktoren können die effektive Zusammenarbeit innerhalb einer Crew beeinträchtigen. Deshalb gehörte das wöchentliche Ausfüllen eines speziellen Fragebogens im Rahmen des Experimentes Crew Interaction zu den Pflichten der Raumfahrer. Diese Fragebögen wurden von Psychologen erarbeitet. Einige Fragen betrafen auch die Interaktion mit den Bodenstationen in den USA und in Russland. Bei Diurez ging es um die Erfassung des Wasser-Salz-Metabolismus‘ und dessen hormoneller Steuerung sowie der Regulation des Blutvolumens in der Schwerelosigkeit und bei der Readaption an die Schwerkraft. Das Ganze geschah über die Auswertung von Blut- und Urinproben. Beim Experiment Epstein-Barr Virus Reactivation wurde die Reaktivierung dieser normalerweise harmlosen Viren in der Schwerelosigkeit untersucht. Bei geschwächtem Immunsystem können sie sich stärker vermehren und zu Erkrankungen führen. Etwa 90% aller Erwachsenen tragen den Epstein-Barr-Virus in ihrem Körper. Über Blut- und Urinproben wollte man dem Mechanismus der Reaktivierung auf die Schliche kommen. Mit der Effizienz von Medikamenten in der Schwerelosigkeit befasste sich das Experiment Farma. Untersucht wurden Aufnahme, Verteilung und Abbau eines Wirkstoffs mit Hilfe von Speichel- und Blutproben.
Beim neuen Experiment Foot/Ground Reaction Forces During Space Flight (FOOT) wurden Veränderungen an Knochen und Muskeln im unteren Bereich des Körpers und an den Beinen gemessen. Dazu trug der Astronaut tagsüber eine spezielle Hose (LEPS – Lower Extremity Monitoring Suit), in der 20 sorgfältig platzierte Sensoren untergebracht waren sowie eine Sensorbinde an einem Oberarm. Mit den Sensoren wurden die elektrische Muskelaktivität, Beugungswinkel an Hüft-, Knie- und Fußgelenken sowie die Andruckkraft der Füße gemessen und über in den Anzug eingearbeitete Leitungen zu einem Speicher übertragen (max. 14 Stunden). Mit der zusätzlichen Armbinde wurden Vergleiche in der Belastung von Armen und Beinen ermöglicht. Außerdem wurden Messungen zur Stärke von Knochen und Muskeln vor und nach dem Raumflug auf der Erde vorgenommen.
Bei Gematologija wurden die Mechanismen erforscht, die Veränderungen in hämatologischen Blutwerten hervorrufen. Dabei wurde venöses und kapillares Blut entnommen, der Zustand der Zellmembranen, der Eisenhaushalt und der Hämoglobingehalt des Blutes ermittelt. Die Messwerte können u. a. Hinweise auf Anämien oder Veränderungen der Lymphflüssigkeit geben.
In der Schwerelosigkeit wird der Bewegungs- und Stützapparat kaum belastet. Resultate sind Muskel- und Knochenverlust. Außerdem bewegen sich Körper unter Mikrogravitation anders, sie fallen nicht nach unten. Statt der gewohnten Wurfparabel ergibt sich praktisch eine geradlinige Flugbahn. Nach kurzer Zeit hat sich das Gehirn darauf eingestellt. Mit dem ebenfalls neuen Hand Posture Analyzer (HPA) sollten diese Anpassungen genauer erforscht werden. Die Apparatur umfasste einen Handgriff mit Druckkraftmesser sowie einen Handschuh mit Sensoren, die Finger- und Handstellung maßen und an einen Computer weitergaben. Mit dem Handgriff konnte die maximale Druckkraft der Hand gemessen werden. Außerdem war vorgesehen, dass die Raumfahrer mehrmals eine Kraft von 25%, 50% und 75% ihrer Maximalkraft für 24 Sekunden halten, wobei der Proband eine optische oder taktile Rückkopplung erhielt. Mit dem Sensorhandschuh wurden Greifübungen überwacht. Dabei kam es auf Schnelligkeit und Genauigkeit an. Außerdem wurde der Handschuh dazu benutzt, die Reaktionen des Probanden zu erfassen, wenn er imaginäre Bälle auf einem Bildschirm erfasste und nach unten warf. Dies wurde mit und ohne Schwerkraftsimulation getestet und ist ein Maß für die Hand-Augen-Koordination sowie die Reaktionsschnelligkeit und die Anpassung an die Umgebungsbedingungen.
Bei Matrjoschka R wurde die Strahlung entlang der Flubahn der Internationalen Raumstation gemessen. Dabei wurden die Strahlungswerte in einzelnen Schichten, die einem Körper nachempfunden waren, erfasst. Das entsprechende zylindrische Gerät wurde mit Progress-M1 11 im Januar 2004 geliefert und während eines Ausstieges am 26./27. Februar 2004 an der Außenhaut des Moduls Swesda installiert.
Beim Experiment Parodont wurde der Mundraum näher erforscht. Unter anderem wurden die Konzentration von Immunglobulin, das Mengenverhältnis von Krankheitserregern und Antikörpern sowie die einzelnen Bestandteile der Mikroflora in der Mundhöhle bestimmt. Dazu wurden Speichelproben und Zahnabstriche genommen und eingefroren. Ziel des Experimentes Pilot war es, über die Simulation einer Roboterfernsteuerung per Laptop und Joystick, die Zuverlässigkeit der Handlungen der Raumfahrer in Abhängigkeit vom aktuellen Stresszustand in verschiedenen Phasen eines Langzeitfluges zu ermitteln. Daraus sollten auch Vorhersagen getroffen werden, wann besonders schwierige Ausgaben in Angriff genommen werden können und wann die Raumfahrer Ruhephasen benötigen.
Im Rahmen des Experiments Profilaktika wurden Therapien gegen den Muskel- und Knochenabbau in der Schwerelosigkeit erprobt. Mit Pulse hingegen wurde die autonome Regulation des Herz-Lungen-Systems in der Schwerelosigkeit untersucht. Beim medizinischen Experiment Renal Stone stand die Untersuchung des Risikos zur Bildung von Nierensteinen während längerer Raumflüge im Mittelpunkt. Dazu wurden von einem Astronauten Urinproben gesammelt, während er sich an eine spezielle Diät hielt. Dadurch sollten sich Auswirkungen bestimmter Nahrungsinhaltsstoffe auf den Stoffwechsel analysieren lassen. Im Rahmen der medizinischen Untersuchung Sprut MBI wurde die Menge und Verteilung des Blutes im menschlichen Organismus ermittelt. Dabei waren vor allem Veränderungen im Verhältnis zwischen zellularem (intrazellulär) und im Kreislauf befindlichem Blut (interzellulär) interessant.
Biologie
Biodegradatsija hatte die Entwicklung von Sicherheitsmechanismen gegen biologische Kontamination struktureller Teile der Raumstation zum Ziel. Dabei wurden die Anfangsstadien der Besiedlung struktureller Materialien durch Mikroorganismen untersucht. Dazu wurden Bioproben genommen, Fotos gemacht und die Sensitivität der Organismen gegen verschiedene Gifte getestet.
Das Ziel des Experimentes Bioekologija war die Züchtung von Bakterienstämmen, die Rohöl, Pflanzenschutzmittel oder Polysaccharide zersetzen können. Mikroorganismen sind sie ein natürlicher Bestandteil unserer Umwelt und oftmals unverzichtbar. Von Interesse beim Experiment Biorisk war für die Forscher der Einfluss der Sonnenaktivität auf Modifikationen (Phenotyp) und Mutationen (Genotyp) sowie die Entwicklung von Resistenzen und Agressivität. Gleichzeitig sollte aber auch abgeschätzt werden, inwiefern nützliche Bakterien bei einem längeren Aufenthalt im Weltraum lebensfähig bleiben.
Das Experiment Brados diente der genauen Bestimmung der tatsächlichen Strahlenbelastung der Besatzung. Dazu kamen neben bewährten Dosimetern auch neuartige Systeme zum Einsatz, die Thermoluminiszenz, Halbleitermaterialien, Samen höherer Pflanzen oder Bakterien (z. B. Yersinien) als Detektoren verwenden. Neben der Strahlendosis konnten auch die direkten biologischen und genetischen Auswirkungen festgestellt werden.
Mit dem Komplex Cellular Biotechnology Operations Support System (CBOSS) wurde das Wachstum verschiedener Zellarten analysiert. Dazu verfügte CBOSS über eine ausgeklügelte Temperatursteuerung, eine Anlage zum Einfrieren der fertigen Proben, ein System zur Regulation der Gaszufuhr sowie einen Behälter zur Aufnahme von bis zu 48 Proben. In der Schwerelosigkeit wächst Gewebe auch ohne spezielle Stützstrukturen in drei Dimensionen ungehindert. Die Untersuchungen der Zellkomplexe sollten vor allem neue Erkenntnisse über das Wachstum von Krebszellen ermöglichen. Man hoffte, es aber auch zu funktionierenden Organteilen heranziehen zu können. Nach einer unterschiedlich langen Wachstumsphase bei idealen Bedingungen konnten die Proben einzeln chemisch fixiert oder eingefroren werden. Die genaue Analyse erfolgte auf der Erde.
Die Group Activation Packs Yeast (neues Experiment) dienten der Überprüfung der Rolle individueller Gene bei Hefe bei als Reaktion auf die Schwerelosigkeit. Interleukin K hatte die Herstellung verschiedener biologischer Substanzen zum Ziel. Diese sind zum einen Interleukin, zum anderen ein Interleukin-Rezeptor-Antagonist. Interleukine sind körpereigene Botenstoffe, die auf natürlichem Wege in Lymphozyten hergestellt werden und das menschliche Immunsystem regulieren. Seit den 1980er Jahren können Interleukine auch künstlich hergestellt werden.
Beim KAF-Experiment wurden gentechnisch veränderte Molekülkomplexe der Typen Caf 1 und Caf 1M mit synthetischen Proteinen hergestellt. Dabei wurden die besten Bedingungen erforscht, unter denen biologisch aktive Substanzen, wie Zytokine (Botenstoffe des Immunsystems) und schützende Antigene, in der Schwerelosigkeit künstlich produziert werden können.
Mit dem Experiment Meschchlednoje Vzamiodeistwije (Intercellular Interactions) wurde der Einfluss der Mikrogravitation auf die Beschaffenheit von Zelloberflächen sowie auf die Wechselwirkungen zwischen Lymphozyten in einer Zellkultur (K-562) erforscht. Mimetik K diente der Entwicklung einer neuen Klasse von Medikamenten. Hierbei wurde ein Antigen-bindendes Fragment eines monoklonalen Antikörpers an Glukosaminilmuramildipeptid hergestellt.
Beim Experiment Rastenija 2 wurden höhere Pflanzen (z. B. Salatpflanzen) im LADA-Gewächshaus gezogen. Diese könnten wichtige Vitaminlieferanten im Weltraum sein. Von Interesse war der Einfluss der Schwerelosigkeit auf Wachstum und Entwicklung der Pflanzen. Untersucht wurden aber auch die Funktionalität des Gewächshauses, die Widerstandfähigkeit und die Anpassung an die außergewöhnlichen Bedingungen im Weltraum (Mikrogravitation, Strahlung) und die Ethylenkonzentration im russischen Segment der ISS. Beim Experiment Vakzina K schließlich wurden Protein-Vorläufersubstanzen hergestellt, die gegen virale Erkrankungen, speziell HIV, eingesetzt werden könnten.
Materialwissenschaften
Im Rahmen des Binary Collodial Alloy Tests (BCAT-3) wurde das Langzeit-Verhalten von Colloiden in der Schwerelosigkeit untersucht. Da hier die durch die Gravitation verursachten Vorgänge der Sedimentation und Konvektion ausgeschlossen sind, können die rein stoffbedingten Vorgänge beobachtet werden. Dazu wurden regelmäßig Bilder der sich entwickelnden Proben zur Erde übermittelt. Die Viskosität von Flüssigkeiten in der Schwerelosigkeit, also ohne den Einfluss der Gravitation wurde im Rahmen von Fluid Merging Viscosity Measurement (FMVM) untersucht. Dabei ließ man zwei Tropfen unterschiedlicher Flüssigkeiten nach ihrer Berührung allein durch die Adhäsionskräfte ineinander laufen, wobei die inneren Widerstände der betreffenden Stoffe, darunter Honig, Glyzerin und Silikonöl, gemessen wurden.
Materials ISS Experiment (MISSE) umfasste etwa 750 verschiedene Materialien, deren Beständigkeit unter den rauhen Bedingungen des Weltalls getestet wurden. Sie waren in Boxen untergebracht und sollen in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen gewechselt werden. Dazu gehören ultraleichte Membranen, Verbundstoffe, Keramiken, Polymere, Strahlungsschilde, Abdeckungen, Schalter, Solarzellen, Sensoren, faltbare Spiegel, optische Gläser, Saatgut, Pflanzenteile und Bakterien.
An der Außenseite des Moduls Swesda befanden sich Detektoren, durch welche sich die Häufigkeit und Beschaffenheit von Mikrometeoriten mit Durchmessern von 10 bis 60 Mikrometern erfassen ließen. Ziel des Experiments Meteoroid, zu dem diese Sensoren gehörten, war eine Vorhersage der zu erwartenden Erosion der Außenhaut des Service-Moduls in den kommenden Jahren. Mit dem japanischen Micro Particles Capturer (MPC) wurden natürliche Mikrometeoriten und durch die Raumfahrt verursachte Staubpartikel gesammelt. Die ergänzende Space Environment Exposure Device war außenbords am Servicemodul Swesda angebracht und setzte verschiedene Materialien den Umweltbedingungen des Weltraums aus. Zu diesen Materialien gehörten u. a. Farbstoffe, Isolationsmaterialien und feste Schmierstoffe.
Kristalle aus der Gasphase (Spray) wurden beim Plasma Kristall Experiment der ESA gezogen. In der Microgravity Science Glovebox (Handschuhbox) wurde das Experiment Pore Formation and Mobility Investigations (PFMI) durchgeführt. Es beschäftigte sich mit Erstarrungsprozessen. Beim Erstarren von Metallschmelzen steigen in der Schwerelosigkeit kleine Gasbläschen nicht nach oben sondern bilden porenartige Materialdefekte. Die Entstehung derartiger Poren und ihre Bewegung während des Erstarrungsprozesses konnte durch die Verwendung eines transparenten und elastischen Materials beobachtet werden. Man verwendete als Grundmaterialien Bernsteinsäurenitrile (Succinonitrile) und Wasser. Auf der Erde treten Materialmängel durch mikroskopische Bläschen ebenfalls auf. Dadurch können große Schäden entstehen, beispielsweise beim Bruch einer Turbinenschaufel in einem Flugzeugtriebwerk. Verwendet wurden mehrere zylindrische Probenbehälter, die nacheinander in die Schmelzzone gelangten. Ein Schmelzen-Erstarren-Zyklus dauerte mehrere Stunden. Dabei ließen sich Temperatur und Wachstumsrate von der Erde aus steuern. Der Fortgang des Experimentes wurde durch eine Videokamera übertragen. Gemessen wurden Bläschenzahl und -größe sowie deren Bewegungen und Wechselwirkungen untereinander.
Bei Protein Crystal Growth – Single Thermal Enclosure System (PCG-STES) kamen unterschiedliche Probenbehälter zum Einsatz. Sie enthielten normalerweise 81 verschiedene Kammern, in denen individuelle Experimente mit verschiedenen Proteinen abliefen. Endprodukt der mehrmonatigen Kristallisationsphase waren extrem große, reine und fehlerarme Kristalle, die sich besonders gut zur Analyse mittels Neutronenbeugung eignen.
Beim Experiment Viscose Liquid Foam – Bulk Metallic Glass (Foam-BMG) wurde ein Gas in eine Metallschmelze gepumpt. Die Schmelze wurde unterkühlt und erstarrte irgendwann schlagartig in aufgeschäumter Form. Ein solches Material, das fester als normale Metalle oder Keramiken ist, nennt man metallisches Glas. Erforscht wurde, unter welchen Bedingungen möglichst große und regelmäßige metallische Gläser entstehen.
Raumfahrttechnologie
Untersuchungen zur Bewegung von Flüssigkeiten in Kapillaren mit großer und komplexer Geometrie wurden im Rahmen des Cappillary Flow Experiments durchgeführt. Wärmetauscher, die ohne Pumpen funktionieren, könnten in zukünftigen Raumfahrtzeugen eingesetzt werden. Mit dem Global Time System wurde ein Verfahren erprobt, bei dem die Zeitsignale zur Synchronisation von Uhren aus der Internationalen Raumstation kommen. Sie wurden auf Frequenzen im Bereich von 400 MHz und 1,5 GHz ausgestrahlt. Das Experiment lief, wie viele Langzeituntersuchungen, vollautomatisch ab.
Bei Identifikatsija ging es um die strukturellen Belastungen der Station bei Kopplungsmanövern, Kurskorrekturen, sportlichen Aktivitäten der Besatzungsmitglieder sowie Außenbordarbeiten. Dazu wurden Beschleunigungswerte in unterschiedlichen Teilen der Station mit linear-optischen und konventionellen Systemen gemessen. Die Qualität der Mikrogravitation an Bord in Abhängigkeit vom aktuellen Arbeitsmodus wurde ebenso beim Experiment Izgib untersucht. Zum selben Komplex gehören auch MAMS und SAMS. Mit dem Microgravity Acceleration Measurement System (MAMS) wurden Beschleunigungen der gesamten Station durch Kopplungen oder Antriebsphasen gemessen. Diese Ereignisse stören die Mikrogravitation innerhalb der Station. Allerdings sind diese Störungen niederfrequent und kurzzeitig. Bei empfindlichen Experimenten z. B. zur Kristallbildung spielen sie aber durchaus eine Rolle. Wachsende Kristalle zeigen dann geringe Abweichungen von der Idealstruktur. Das Space Acceleration Measurement System (SAMS) war im Labormodul Destiny untergebracht und diente der Erforschung des Einflusses von Bordaktivitäten wie Sport oder Triebwerkszündungen auf gravitationsempfindliche Experimente in unterschiedlichen Bereichen der Station. Die 5 Sensoren, mit denen die Mikrogravitation gemessen wurde, befanden sich in der Nähe laufender Experimente.
Bei Iskaschenije waren magnetische Interferenzen und ihre möglichen Auswirkungen auf die Durchführung von Experimenten sowie die Orientierung am Erdmagnetfeld Untersuchungsgegenstand. Mit Kromka wurden außenbords Partikel gesammelt, die sich von den Triebwerken des Moduls Swesda lösen. Deren Analyse sollte später zur Konstruktion besserer Antriebssysteme führen.
Platan war eine Detektoreinheit, mit der schwere Kerne (Eisen-Gruppe) der galaktischen und solaren Partikelstrahlung sowie deren Energie gemessen wurden. Sie wird auf Swesda montiert und nach ein bis zwei Jahren zur Erde zurück transportiert. Hier konnte durch chemische Untersuchungen auf die Art der Ionen und durch die Einschlagtiefe in die 20 bis 100 mm dicken mehrlagigen Folien sowie die Form der Mikrokrater auf deren Energie geschlossen werden. Platan M ist für Partikel mit Energien zwischen 30 und 200 MeV entwickelt worden. Hauptziel war es, Fluss und Energiespektrum der am stärksten ionisierenden Komponenten der kosmischen Strahlung während unterschiedlicher Phasen der Sonnenaktivität zu erfassen, um zukünftige Schutzeinrichtungen planen zu können.
Privijazka befasste sich mit Formveränderungen des russischen Teils der Station. Dem Studium chemiluminiszenter Reaktionen und atmosphärischer Leuchterscheinungen als Resultat der Wechselwirkung von Triebwerksabgasen mit der oberen Erdatmosphäre widmete sich das Experiment Relaksatsija. Die Untersuchungen fanden vor allem im UV-Bereich statt. Ziel des Experimentes Skorpion war die Entwicklung eines verbesserten Systems zur Erfassung von Umweltparametern. Dazu gehörten Mikrogravitation, elektromagnetische Felder, Teilchenstrahlung sowie klimatische Bedingungen. Für viele Experimente ist es wichtig, die genauen Umweltbedingungen zu kennen, um die erreichten Resultate richtig bewerten zu können.
Synchronized Position Hold, Engage, Reorient Experimental Satellite, kurz SPHERES war die Bezeichnung eines neuen, komplexen Experiments, bei dem sich kleine, autonome Satelliten, die durch Kohlenstoffdioxidgas angetrieben werden, untereinander abstimmen und gemeinsame Operationen ausführen sollen. Zunächst wurden einzelne Komponenten aber nur innerhalb der Station erprobt.
Im Mittelpunkt des Experimentes Tensor stand die Erprobung neuer Techniken, die Bewegungscharakteristik der ISS genauer bestimmen zu können. Dazu gehören Trägheitsmomente, der Luftwiderstand der wachsenden Station und die genaue Bestimmung ihres Schwerpunktes.
Mit Toksichnost wurde ein Schnelltest für die Qualität des Trinkwassers an Bord der Station entwickelt und erprobt. Zum Experiment gehörte das Messgerät Biotoks-10K. Mit diesem ließ sich die Toxizität von Wasserproben ermitteln. Dies geschah mittels eines selbstleuchtenden mikrobiologischen Sensors. Variationen in der Leuchtintensität ließen Rückschlüsse auf Verunreinigungen der untersuchten Flüssigkeit zu. Die Forschungen sollten letztlich zu einem serienreifen Gerät führen.
Im Rahmen von Vektor T wurden die Bewegungsparameter der Station mittels GLONASS-Sensoren gemessen. GLONASS ist das russische Gegenstück zum amerikanischen Global Positioning System (GPS). Ziel war die Erarbeitung einer möglichst genauen Vorhersage der Bahnänderungen infolge der Bremswirkung der Restatmosphäre.
Missionsbericht
Nach den gemeinsamen Arbeiten mit Pedro Duque im Rahmen des Cervantes-Programms begann die Stationsroutine. Neben den wissenschaftlichen Forschungen, insbesondere mit/zu Hand Posture Analyzer, Renal Stone Risk, Crew Interactions, Capillary Flow Experiment, EarthKAM, Crew Earth Observation, Pilot, Binary Colloidal Alloy Test 3, SPHERES, Profilaktika, Foot/Ground Reaction Forces During Spaceflight, Pore Formation and Mobility Investigation, Plasma Kristall Experiment 3, In Space Soldering Investigation, Rastenija 2, Group Activation Pack Yeast und weiterer medizinischer Untersuchungen, u. a. mit einem Ultraschallsensor in der Human Research Facility (Advanced Diagnostic Ultrasound in Microgravity ADUM) sowie der Herstellung reiner Proteinkristalle mit verschiedenen Anlagen standen körperliches Training und vielfältige Wartungsarbeiten auf dem Programm. Dazu gehörten Batteriewechsel, der Austausch von Rauchmeldern, regelmäßige Inspektionen der Außenhaut der Station mit Kameras am Manipulatorarm der Station, Lecktests, sowie Be- und Entladearbeiten.
Anfang Januar 2004 stellte man einen leichten Druckverlust in der Station fest. Deshalb zog sich die Besatzung für zwei Tage ins Wohnmodul Swesda (verbunden mit Pirs, Progress-M 48 und Sojus-TMA 3) zurück. Sarja (mit PMA 1), Unity (mit Quest) und Destiny waren auf diese Art isoliert. Nachdem man festgestellt hatte, dass der Druckverlust seine Ursache im Labormodul Destiny hatte, war die Ursache schnell gefunden. Eine elastische Verbindung zwischen den beiden Scheiben des großen, optischen Fensters des Moduls war beschädigt. Nach einer provisorischen Reparatur wurde ein Austauschteil Ende Januar mit Progress-M1 11 geliefert und Anfang März eingebaut.
Zur gleichen Zeit gab es auch einige Probleme mit dem Sauerstoffgewinnungssystem Elektron im Modul Swesda. Während der lang anhaltenden Fehlersuche wurde Sauerstoff aus den Progress-Frachtern sowie aus Feststoffkapseln genutzt (13 Solid Fuel Oxygen Generation Canisters von mehr als 100 wurden verbraucht). Schließlich wechselte man dann doch größere Einheiten und brachte die Anlage damit wieder zum Laufen. Im Februar gelang auch die Reparatur des Kreiselstabilisierungssystems des Laufbandes (Treatmill Isolation and Stabilisation TVIS) durch den Austausch eines defekten Kugellagers am Gyroskop.
Während eines Ausstieges am 26./27. Februar 2004 demontierten Kaleri und Foale einen Container eines russischen Materialexperimentes auf Pirs, wechselten zwei Probenpaletten am japanischen MPAC/SEED und installierten das Strahlungsmessexperiment Matrjoschka R an der Außenseite von Swesda. Der für fünfeinhalb Stunden vorgesehene Ausstieg wurde auf 3:55 h gekürzt, weil es Probleme mit dem Kühlsystem in Kaleris Anzug gab. Nach dem Ausstieg fand Michael Foale heraus, dass eine Leitung dieses Kühlsystems geknickt war und deshalb das Kühlmittel nicht mehr richtig zirkulieren konnte. Dadurch entfiel aber die geplante Verlegung von mehreren Abgasreflektoren. Sie stören aber erst dann, wenn das europäische Versorgungsfahrzeug ATV am Heck der Station andockt, frühestens Ende 2005.
Während der Mission fanden viele Pressekonferenzen statt, u.a. zur Ehrung des ersten Motorfluges der Brüder Wright. Außerdem sprachen die Raumfahrer mehrfach mit Schülern amerikanischer Schulen und fertigten kleine Lehrfilme zu Bewegungen in der Schwerelosigkeit an. Nach dem Andocken der Nachfolgebesatzung nahmen Foale und Kaleri in geringem Umfang an deren Forschungsprogramm teil. Ein kleines Heliumleck im Antriebssystem von Sojus-TMA 3 stellte für die Landung am 30. April 2004 kein echtes Problem dar.
Der vorliegende Artikel wurde 2004 für www.raumfahrt.de bzw. www.raumfahrtgeschichte.de geschrieben und nach Schließung der Seiten 2006 vom Autor (GG) in die Wikipedia eingetragen. Es handelt sich also nicht um eine Kopie aus der Wikipedia sondern im Gegenteil um die Vorlage. Der Originalartikel ist noch abrufbar auf den Seiten der HTWK Leipzig.
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