Am heutigen Abend beginnt für die Raumsonde Cassini der mittlerweile 216. Umlauf um den Planeten Saturn. Den Höhepunkt dieses neuen Orbits bildet ein für den 8. Mai 2015 vorgesehener naher Vorbeiflug der Raumsonde an dem Saturnmond Titan.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: CICLOPS, JPL, The Planetary Society.
Am 25. April 2015 erreicht die Raumsonde Cassini auf ihrer elliptischen Umlaufbahn um den Saturn um 19:46 MESZ erneut die Apoapsis – den Punkt ihrer größten Entfernung zu dem zweitgrößten Planeten innerhalb unseres Sonnensystem. Zu diesem Zeitpunkt wird sich die Raumsonde in einer Entfernung von rund 3,16 Millionen Kilometern zu der obersten Wolkenschicht des Saturn befinden und damit zugleich ihren mittlerweile 216. Umlauf um den Ringplaneten beginnen. Aktuell weist die Flugbahn von Cassini dabei eine Inklination von lediglich 0,3 Grad auf. Aufgrund dieser geringen Neigung der Flugbahn der Raumsonde gegenüber der Ringebene kann gegenwärtig unter anderem das vertikale Strukturprofil der verschiedenen Ringe des Saturn eingehender untersucht werden.
Für das aus einer Telekamera (NAC) und einer Weitwinkelkamera (WAC) bestehende ISS-Kameraexperiment, einem der 12 wissenschaftlichen Instrumente an Bord von Cassini, sind während dieses 21 Tage andauernden Umlaufs, dessen offizielle Bezeichnung „Rev 215“ lautet, insgesamt 37 Beobachtungskampagnen vorgesehen. Wie üblich wird ein Großteil dieser Kampagnen erneut die Atmosphäre und das Ringsystem des Saturn zum Ziel haben. Zusätzlich stehen auch mehrere Saturnmonde auf dem Beobachtungsprogramm der an dieser Mission beteiligten Wissenschaftler. Den Höhepunkt des jetzt beginnenden Saturnumlaufs stellt ein für den 8. Mai 2015 vorgesehener naher Vorbeiflug an dem größten dieser derzeit 62 bekannten Monde, dem 5.150 Kilometer durchmessenden Mond Titan, dar.
Das erste Beobachtungsziel: Der E-Ring
Etwa zwei Stunden nach dem Beginn des neuen Umlaufs wird die ISS-Kamera zunächst Teilbereiche des diffusen E-Rings des Saturn abbilden, welcher sich aus Staubpartikeln und Eis zusammensetzt. Gespeist wird dieser Ring in erster Linie durch Material, welches durch die kryovulkanische Aktivität des Saturnmondes Enceladus in das Weltall befördert wird (Raumfahrer.net berichtete). Durch die bei diesen Beobachtungen gegebenen Beleuchtungsverhältnisse lassen sich speziell die in dem Ring enthaltenen Staubteilchen besonders gut untersuchen.
Wetterbeobachtung auf dem Saturn
Die darauf folgende Beobachtungskampagne hat die Atmosphäre des Saturn zum Ziel. Hierbei soll die Weitwinkelkamera des ISS-Instruments den Ringplaneten abbilden und dabei nach markanten Wolkenformationen in dessen Atmosphäre Ausschau halten. Durch die regelmäßig erfolgende Dokumentation von Wolkenstrukturen und kleineren Sturmgebieten und deren Positionsveränderungen lassen sich zum Beispiel Aussagen über die gegenwärtig in der Saturnatmosphäre vorherrschenden Windrichtungen und Windgeschwindigkeiten tätigen.
In Kombination mit früheren und zukünftigen Beobachtungen dieser langfristig angelegten ‚Sturmbeobachtungskampagne‘ lässt sich durch derartige Aufnahmen die allgemeine ‚Großwetterlage‘ auf dem Saturn dokumentieren, welche sich aufgrund der Bewegung des Planeten um die Sonne und der dabei auftretenden Jahreszeiten in einem etwa 30 Jahre dauernden Rhythmus kontinuierlich verändert (Raumfahrer.net berichtete). Bis zum Ende des jetzt beginnenden Saturnumlaufs sind sieben weitere derartige Beobachtungen vorgesehen.
Der Mond Titan und astrometrische Beobachtungen
Ab dem 2. Mai wird die ISS-Kamera dann vermehrt auf den Titan ausgerichtet sein und diesen aus unterschiedlichen Entfernungen abbilden. Auch hierbei gilt das Interesse der an diesen Beobachtungen beteiligten Wissenschaftler zunächst in erster Linie der Dokumentation des dortigen aktuellen Wettergeschehens.
Zwischenzeitlich sind für den 3., den 4. und den 6. Mai zudem diverse sogenannte ‚astrometrische Beobachtungen‘ von mehreren der kleineren, inneren Saturnmonde geplant. Die Umlaufbahnen dieser kleinen und entsprechend massearmen Saturnmonde unterliegen einer permanenten gravitativen Beeinflussung durch den Saturn und dessen größeren Monden, was zu minimalen Veränderungen der jeweiligen Umlaufbahnen führen kann. Das wissenschaftliche Ziel der anzufertigenden Aufnahmen der Monde besteht darin, die derzeit verfügbaren Parameter von deren gegenwärtigen Umlaufbahnen noch weiter zu präzisieren. Derartige Messungen sind unter anderem dazu dienlich, um den Masseschwerpunkt innerhalb des komplexen Saturnsystems zu ermitteln und fortlaufend zu präzisieren.
Der Titan-Vorbeiflug T-111
Am 8. Mai steht dann der Höhepunkt dieses 216. Umlaufs der Raumsonde Cassini um den Saturn an. Um 00:50 MESZ wird die Raumsonde den größten der Saturnmonde im Rahmen eines zielgerichteten Vorbeifluges mit einer Geschwindigkeit von 5,7 Kilometern pro Sekunde in einer Entfernung von 2.721,5 Kilometern passieren. Die mit diesem mittlerweile 112. Vorbeiflug am Titan – das Manöver trägt die Bezeichnung „T-111“ – assoziierten Beobachtungen beginnen bereits mehrere Stunden vor der dichtesten Annäherung. Neben dem ISS-Kamerasystem sollen dabei in erster Linie zwei weitere Instrumente von Cassini – das Composite Infrared Spectrometer (CIRS) und das Visual and Infrared Spectrometer (VIMS) – genutzt werden, um die Oberfläche und die Atmosphäre des Titan zu untersuchen sowie um ein Temperaturprofil der abgebildeten Regionen zu erstellen.
Während der Phase der dichtesten Annäherung an den Titan wird dann auch das VIMS die wissenschaftlichen Beobachtungen dominieren. Das Instrument soll dabei unter anderem verschiedene Oberflächenstrukturen wie die Umgebung der Bereiche Hotei Regio und Xanadu abbilden. In der Region Xanadu konnten während der letzten Jahre diverse ausgedehnte Dünengebiete, Berge, Täler und Flussbetten beobachtet werden, welche wohl zeitweise mit flüssigen Kohlenwasserstoffverbindungen gefüllt sind.
Nach dem Passieren des Titan wird das CIRS-Instrument speziell die südliche Hemisphäre dieses Mondes untersuchen und dabei unter anderem die Verteilung der dort befindlichen Dunstschleier und Aerosole ermitteln. Diese Daten sollen dabei helfen, ein besseres Verständnis für die Mechanismen zu erhalten, welche zur Bildung eines gegenwärtig über dem Titan-Südpol gelegenen Sturmgebietes geführt haben. Des weiteren soll ein Temperaturprofil von der Nachtseite des Titan erstellt werden.
Periapsis
Ebenfalls noch am 9. Mai 2015 wird Cassini schließlich um 20:03 MESZ die Periapsis, den Punkt der größten Annäherung an den Saturn während dieses Orbits Nummer 216, erreichen und die obersten Wolkenschichten des Ringplaneten dabei in einer Entfernung von 187.910 Kilometern nahe der Umlaufbahn des Mondes Mimas passieren.
Die hierbei geplanten Beobachtungen, bei denen auch erneut das CIRS-Instrument zum Einsatz kommen soll, werden sich auf verschiedene der größeren, inneren Monde des Saturn konzentrieren. Die Monde Dione, Tethys und Enceladus werden sich dabei in größeren Entfernungen von 525.000 Kilometern, 325.000 Kilometern und 360.000 Kilometern zu der Raumsonde befinden. Der deutlich kleinere Mond Polydeuces wird dagegen am 10. Mai um 03:12 MESZ in einer Entfernung von lediglich rund 34.000 Kilometern passiert. Trotzdem wird dieser lediglich etwa drei bis vier Kilometer durchmessende Mond auch auf den am höchsten aufgelösten Aufnahmen der ISS-Kamera, welche aus einer Distanz von 45.000 Kilometern angefertigt werden sollen, lediglich einen Durchmesser von etwa elf Pixeln einnehmen.
Die Monde Kiviuq und Paaliaq
Am 10. Mai wird sich die ISS-Kamera zudem auf einen der kleineren, äußeren Saturnmonde – den Mond Kiviuq – richten. Mit einer scheinbaren Helligkeit von lediglich 22,0 mag handelt es sich bei diesem rund 16 Kilometer durchmessenden und erst im Jahr 2000 entdeckten Mond um ein äußerst lichtschwaches Objekt, welches von der Erde aus nur extrem schwierig zu beobachten ist.
Im Rahmen dieser rund zehn Stunden andauernden Kampagne soll Kiviuq aus einer Entfernung von etwa 9,85 Millionen Kilometern mehrfach mit der ISS-Kamera abgebildet werden. Anhand der Variationen in der sich bei dieser Beobachtungssequenz ergebenden Lichtkurve und einem Abgleich mit früheren Beobachtungen wollen die beteiligten Wissenschaftler die Helligkeitsvariationen auf dessen Oberfläche und die daraus abzuleitende Rotationsperiode dieses Mondes sowie die Ausrichtung von dessen Rotationsachse noch besser als bisher bestimmen.
Eine vergleichbare Beobachtungskampagne wird am 18. Mai den ebenfalls im Jahr 2000 entdeckten und etwa 22 Kilometer durchmessenden Mond Paaliaq zum Ziel haben. Die bisherige Messungen von Cassini führten zu dem Resultat, dass Paaliaq für eine vollständige Drehung um seine Rotationsachse einen Zeitraum von etwa 18 Stunden und 49 Minuten benötigt.
Weitere Beobachtungen des Saturn
Zwischen diesen beiden Beobachtungskampagnen werden die ISS-Kamera, das CIRS, das VIMS und ein weiteres Instrument – das Ultraviolet Imaging Spectrometer (UVIS) – mehrfach auf den Saturn gerichtet sein. Neben allgemeinen Atmosphärenuntersuchungen soll hierbei versucht werden, dort eventuell zu diesem Zeitpunkt in der Südpolregion auftretende Polarlichter abzubilden.
Am 19. Mai 2015 wird die Raumsonde Cassini schließlich um 06:31 MESZ in einer Entfernung von rund 2,5 Millionen Kilometern zum Saturn erneut die Apoapsis ihrer Umlaufbahn erreichen und damit auch diesen 216. Umlauf um den Ringplaneten beenden. Für den damit beginnenden Orbit Nummer 217 sind erneut diverse Beobachtungen des Ringsystems und der Atmosphäre des Saturn sowie verschiedener Saturnmonde vorgesehen. Des weiteren werden in Entfernungen von mehreren 10.000 Kilometern verlaufende Vorbeiflüge an den inneren Monden Telesto und Hyperion erfolgen.
Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission im Auftrag des Direktorats für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC. Nach dem derzeitigen Planungsstand soll Cassini den Saturn noch bis zum Jahr 2017 erkunden und am 15. September 2017 aufgrund des dann nahezu komplett aufgebrauchten Treibstoffvorrates kontrolliert in der Atmosphäre des Ringplaneten zum Absturz gebracht werden (Raumfahrer.net berichtete).
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