Existenz der Marssonde Fobos-Grunt beendet

Die gescheiterte russische Marssonde Fobos-Grunt hat aufgehört zu existieren. Sie trat am 15. Januar 2012 wieder in die Erdatmosphäre ein und wurde dabei zerstört.

Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: Raumfahrer.net, RIA Novosti, Roskomos. Vertont von Peter Rittinger.

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Zenit-2SB-Start mit Fobos-Grunt am 8. November 2011
(Bild: Roskosmos)

Das von NPO Lawotschkin gebaute Raumfahrzeug kreiste nach dem Start auf einer Zenit-2SB-Rakete seit dem 8. November 2011 um die Erde. Zwei Brennphasen eines an Bord befindlichen Marschtriebwerks hätten Fobos-Grunt auf eine Flugbahn Richtung Mars bringen sollen. Dazu kam es wegen technischen Störungen an Bord der Sonde jedoch nicht.

Zahlreiche Versuche, eine stabile Kommunikationsverbindung mit der Sonde zu etablieren, blieben erfolglos. Auf einzeln gesendete Kommandos reagierte das Raumfahrzeug nicht wie erhofft, was, so vermutet man, auch dem Umstand geschuldet sein könnte, dass die Technik an Bord der Sonde für Teile der Mission auf einen automatischen autarken Betrieb ausgelegt worden war, und manuelle Eingriffsmöglichkeiten an entscheidenden Stellen nicht existierten. Darüber hinaus besitzt Russland kein erdumspannendes Netzwerk für Bahnverfolgung und Fernsteuerung von Raumflugkörpern, was die Bemühungen zur Rettung von Fobos-Grunt zusätzlich erschwerte.

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Fobos-Grunt während der Startvorbereitungen
(Bild: Roskosmos)

Auf der niedrigen Erdumlaufbahn, die Fotos-Grunt schon bald nach dem Start hätte verlassen sollen, ist der Widerstand der Restatmosphäre so hoch, dass ein Flugkörper, der sich dort bewegt, stetig merklich abgebremst wird. Ist es nicht möglich, dem aktiv entgegenzuwirken, ist ein Wiedereintritt in dichtere Atmosphärenschichten unvermeidlich. Beim Durchfliegen dieser Schichten mit hohen Geschwindigkeiten herrschen anspruchsvolle dynamische und thermische Bedingungen. Wurde der Flugkörper nicht entsprechend ausgelegt, ist seine Zerstörung unvermeidlich.

Die Triebwerke von Fobos-Grunt konnten nicht eingesetzt werden, um ein Absinken der Flugbahn zu verhindern. Weder die automatischen Systeme an Bord der Sonde noch vom Boden gesendete Befehle veranlassten geeignete Triebwerkszündungen. Die Umlaufbahn sank immer weiter ab und die Stellung der Planeten Erde und Mars zueinander veränderte sich im Laufe der Zeit so, dass klar war, dass Fobos-Grunt selbst dann, wenn es gelänge, sie noch einmal in ein brauchbares Betriebsregime zu versetzen, den Mars nicht mehr erreichen können würde, da die an Bord befindliche Treibstoffmenge dafür nicht ausreichte.

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Fobos-Grunt in Marsnähe; oben Rückkehrstufe und Lander, Mitte Gittergerüst um Yinghuo 1, unten Antriebseinheit
(Bild: Roskosmos)

Für Techniker und Ingenieure verblieb noch die Hoffnung, die Sondensysteme soweit wiederzubeleben, dass man nach einer eventuellen Bahnanhebung zur Verhinderung eines schnellen Wiedereintritts eine gewisse Zeit für die Ferndiagnose der Ereignisse an Bord der Sonde haben würde.

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Vier Schritte auf dem Weg zum Mars: 1. Start, 2. erste Bahnanhebung, 3. Abwurf Zusatztank, 4. Ausbildung der Bahn zum Überflug Richtung Mars; Nur der erste Schritt gelang.
(Bild: Wikipedia User Pline)

Trotz internationaler Unterstützung gelang es nicht, die Kontrolle der Sonde zu erlangen. Letztere zog weiter um die Erde, bis sie sich nicht mehr auf einer Umlaufbahn halten konnte. Ihr durch die Restatmosphäre gebremster Flug führte sie am 15. Januar 2012 schließlich in eine immer steiler werdende Kurve, auf der die Sonde in tiefere Atmosphärenschichten gelangte. Über dem Ostpazifik zerlegte sie sich schließlich, Überreste stürzten nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti rund 1.250 Kilometer westlich der chilenischen Insel Wellington ins Meer. Gemäß Informationen der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos würden Überreste gegen 18:45 Uhr MEZ die Meeresoberfläche erreicht haben.

Dem radioaktiven Inventar an Bord der Sonde aus einer sehr kleinen Menge Kobalt 57 (rund 10 Mikrogramm) in einem wissenschaftlichen Instrument spricht Roskosmos die Möglichkeit irgendwelcher Kontaminationen auf Grund der geringen Menge ab. Man hält es für sehr unwahrscheinlich, dass es die Erdoberfläche erreichte. Das gilt auch auch für die vergleichsweise großen Mengen der Treibstoffkomponenten in den Tanks von Fobos-Grunt.

Bisher gab Roskosmos keine zusammenhängende Darstellung der Fehler, die an Bord der Sonde auftraten. Sicher scheint, dass Computersysteme von Fobos-Grunt nicht so arbeiteten, wie es geplant war.

Offenbsichtlich wurde zwischenzeitlich, dass die Konstruktion der Sonde Schwächen aufwies, über die man sich während des Entstehens der Sonde und der Missionsplanung hinwegsetzte. Die Vorstellung, man sei in der Lage, trotz beschränkter technischer Möglichkeiten, knapper Personal- und Materialressourcen und konstruktiver Unsicherheiten eine komplexe Marsmission, in deren Rahmen auch ein Lander auf dem Marsmond Phobos hätte Proben aufnehmen und mittels Rückkehrstufe zur Erde hätte schicken sollen, durchzuführen, war nicht erfüllbar. Das Projekt wurde außerdem zusätzlich verkompliziert, weil Fobos-Grunt den chinesischen Marssatelliten Yinghuo 1 mit zum roten Planeten nehmen sollte. Die Konstruktion von Fobos-Grunt wurde geändert, um Yinghuo 1 in der Mitte des Raumfahrzeugs aufzunehmen.

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Oben links die Insel Wellington. Lt. RIA Nowosti fielen Reste von Fotos-Grunt westlich der Insel ins Meer.
(Bild: Wikipedia)

In Russland wurde eine Untersuchungskommission gebildet, die das Versagen von Fobos-Grunt untersuchen soll. Roskosmos erwartet, dass Ende Januar 2012 erste Ergebnisse vorliegen. Nach einer Vielzahl von Fehlschlägen in russischen Raumfahrtprogrammen ist es an der Zeit, Ausstattung, Organisation und Umfeld der russischen Raumfahrtindustrie und der wissenschaftlichen Institutionen in Russland ernsthaft zu hinterfragen. Keinesfalls ausreichen wird die Feststellung angeblich verantwortlicher Einzelpersonen innerhalb beteiligter industrieller, wissenschaftlicher und staatlicher Organisationen.

Fobos-Grunt war katalogisiert mit der NORAD-Nr. 37.872 bzw. als COSPAR-Objekt 2011-065A.

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