Rosetta: Hinweise auf Eis auf der Kometenoberfläche

Aufnahmen des an Bord der Kometensonde Rosetta befindlichen Kamerasystems OSIRIS deuten darauf hin, dass sich im Bereich der Halsregion des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko mit Staub vermischtes Wassereis auf der Oberfläche befinden könnte. Das Wassereis des Kometen wäre somit nicht ausschließlich in dessen Inneren gebunden.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, ESA.

ESA, Rosetta, MPS for OSIRIS-Team MPS, UPD, LAM, IAA, SSO, INTA, UPM, DASP, IDA
Bisher konnten auf dem Kometen 67P 19 morphologisch unterschiedliche Regionen identifiziert werden, welche nach Gottheiten der ägyptischen Mythologie benannt wurden. Die Region Hapi, wo jetzt Hinweise auf Eisablagerungen gefunden wurden, befindet sich im Bereich des ‚Halses‘ des Kometen.
(Bild: ESA, Rosetta, MPS for OSIRIS-Team MPS, UPD, LAM, IAA, SSO, INTA, UPM, DASP, IDA)

Nach einem mehr als zehn Jahre andauernden Flug durch unser Sonnensystem erreichte die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Rosetta am 6. August 2014 das Ziel ihrer Reise – den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko (der Einfachheit halber ab hier als „67P“ abgekürzt). Seitdem ‚begleitet‘ Rosetta diesen Kometen auf seinem weiteren Weg in das innere Sonnensystem und untersucht dieses Relikt aus der Entstehungsphase unseres Sonnensystems dabei intensiv mit elf wissenschaftlichen Instrumenten.

Dabei zeigte sich bereits in der Frühphase der Erforschung des Kometen durch die Raumsonde, dass dessen Oberfläche extrem dunkel ist und dass dort zudem Temperaturen auftreten, welche das großflächige Vorhandensein von Wassereis ausschließen (Raumfahrer.net berichtete).

Für die Analyse der Oberflächeneigenschaften des Kometen 67P setzen die an dieser Mission beteiligten Wissenschaftler auch die OSIRIS-Kamera – die unter der Leitung von Mitarbeitern des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen entwickelte und betriebene Hauptkamera an Bord von Rosetta – ein. Zu diesem Zweck ist das OSIRIS-Kameraexperiment mit verschiedenen Farbfiltern ausgestattet, welche selbst kleinste Unterschiede in der Reflektivität der Oberfläche des Kometen nachweisen können. Hierzu wird die selbe Region der Kometenoberfläche nacheinander mit den Farbfiltern abgebildet. Falls diese Region in einer dieser Aufnahmen dann ‚heller‘ erscheint als auf den anderen Fotos, so reflektiert sie das Licht dieser Wellenlänge besser und erscheint somit in dieser Farbe hervorgehoben.

ESA, Rosetta, MPS for OSIRIS-Team MPS, UPD, LAM, IAA, SSO, INTA, UPM, DASP, IDA
Diese Falschfarbenaufnahme zeigt in der linken Bildhälfte die auffallend ebene Hapi-Region im Bereich des ‚Halses‘ von 67P, welcher den ‚Kopf‘ und den ‚Körper‘ des Kometen miteinander verbindet. Unterschiede in der Reflektivität wurden in dieser Darstellung verstärkt, um die bläuliche Färbung der Region hervorzuheben. Das OSIRIS-Kamerasystem an Bord der Raumsonde Rosetta hat die Daten, welche diesem Bild zugrunde liegen, am 21 August 2014 nacheinander mit Hilfe dreier Farbfilter aufgenommen. Hierbei handelte es sich um den 989-Nanometer-, den 700-Nanometer- und den 480-Nanometer-Filter. Die drei Aufnahmen wurden dann überlagert. Zum Zeitpunkt der Aufnahmen war die Raumsonde etwa 70 Kilometer von dem Kometen entfernt. Die dabei erreichte Auflösung liegt bei 1,3 Metern pro Pixel.
(Bild: ESA, Rosetta, MPS for OSIRIS-Team MPS, UPD, LAM, IAA, SSO, INTA, UPM, DASP, IDA)

„Auch wenn die Farbvariationen auf der Oberfläche von 67P klein sind, können sie wichtige Hinweise enthalten“, so Dr. Holger Sierks vom MPS, der wissenschaftliche Leiter des OSIRIS-Kameraexperiments.

In einer Analyse solcher bereits im August 2014 anfertigten Falschfarbenaufnahmen von 67P hebt sich dabei die im Bereich des ‚Halses‘ des Kometen gelegene Hapi-Region deutlich vom Rest der Oberfläche ab. Während die meisten Oberflächenbereiche von 67P – wie dies für Kometenkerne und andere ‚primitive‘ Körper wie etwa Asteroiden üblich ist – ein leicht rötliches Reflektionsspektrum zeigen, fällt die Reflektion von rotem Licht aus der Hapi-Region etwas geringer aus. Hier dominiert dagegen ‚blaues‘ Licht.

Oberflächennahes Eis?
„Wir wissen, dass die Reflexionseigenschaften direkt mit der Oberflächenmorphologie zusammenhängen“, so die OSIRIS-Wissenschaftlerin Sonia Fornasier vom Observatorium Paris. Wo die glatte Oberfläche der Hapi-Region der zerklüfteteren Landschaft der angrenzenden Gebiete weicht, ändern sich auch die Reflektionseigenschaften.

Nach Ansicht der Wissenschaftler deuten die Messdaten der OSIRIS-Kamera darauf hin, dass in der Hapi-Region auf oder unmittelbar unter der Oberfläche verstärkt gefrorenes Wasser auftritt, welches mit dem ebenfalls dort befindlichen Staub gemischt ist. Frühere Weltraummissionen der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA zu den Kometen 103P/Hartley 2 und 9P/Tempel 1 hatten ein ähnliches Verhalten beobachtet und das bläuliche Spektrum mit dem Vorkommen gefrorenen Wassers in Verbindung gebracht.

Die OSIRIS-Kamera kann das reflektierte Licht des Kometen jedoch nur in einer begrenzten Anzahl von Wellenlängenbereichen des Lichtspektrums darstellen. Zwecks der direkten Identifikation von oberflächennahen Eis ist die Raumsonde Rosetta deshalb mit weiteren Instrumenten ausgestattet. Das VIRTIS-Spektrometer kann zum Beispiel die spektralen Fingerabdrücke von Wassermolekülen eindeutig zuordnen.

„Wir sind gespannt, ob sich unsere Hinwiese durch solche Messungen bestätigen werden“, so Dr. Holger Sierks weiter.

ESA, Rosetta, NavCam - CC BY-SA IGO 3.0
Diese Aufnahme der Navigationskamera der Raumsonde Rosetta wurde am 6. März 2015 aus einer Entfernung von etwa 85,5 Kilometern zum Zentrum des Kometen 67P angefertigt und zeigt eine Vielzahl von Jets aus Gas und Staubpartikeln, welche von der Kometenoberfläche ausgehen. Die Auflösung liegt bei 7,3 Metern pro Pixel.
(Bild: ESA, Rosetta, NavCam – CC BY-SA IGO 3.0)

‚Altes‘ Eis?
Die Region Hapi – so haben bereits die vorherigen Analysen gezeigt – unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von dem Rest der Kometenoberfläche. Sie ist nicht nur deutlich ‚glatter‘ als andere Oberflächenbereiche, sondern auch einer der Hauptausgangsorte für die in den vergangenen Monaten beobachtete Aktivität des Kometen 67P.

Kometen bewegen sich auf elliptischen Umlaufbahnen um die Sonne. Den Großteil ihrer Existenz fristen diese auch als ’schmutzige Schneebälle‘ bezeichneten Objekte dabei fernab der Sonne als kalte, nahezu unveränderliche Brocken aus Eis, Staub und gefrorenen Gasen. Erst wenn sich ein Komet auf seiner langgezogenen Umlaufbahn der Sonne bis auf eine Entfernung von etwa fünf Astronomischen Einheiten – dies entspricht in etwa 750 Millionen Kilometern – nähert, setzt eine zunächst langsam ablaufende ‚Verwandlung‘ ein.

Aufgrund der jetzt immer weiter steigenden Temperaturen sublimieren die leichtflüchtigen Bestandteile des Kometenkerns – in erster Linie handelt es sich dabei um gefrorenes Wasser, Kohlenstoffdioxid, Methan und Ammoniak – und entweichen mit Geschwindigkeiten von bis zu einigen hundert Metern in der Sekunde in das umgebende Weltall. Dabei reißen diese freigesetzten Gase regelrechte Fontänen aus Staubpartikeln mit sich. Diese Teilchen formen zunächst eine Koma, welche den Kometenkern vollständig einhüllt. Aus dieser Kometenkoma entwickelt sich aufgrund des von der Sonne ausgehenden Strahlungsdrucks anschließend auch ein „Schweif“, welcher den Kometen ihr charakteristisches Aussehen verleiht. Einige der ersten Staub- und Gasfontänen, welche der Komet 67P bei seiner derzeit erfolgenden erneuten Annäherung an die Sonne ins All spuckte, hatten ihren Ursprung im Bereich der Hapi-Region.

ESA, Rosetta, NavCam - CC BY-SA IGO 3.0
Auch auf dieser weiter oben gezeigten Aufnahme der Navigationskamera vom 6. März 2015 ist die Hapi-Region erkennbar.
(Bild: ESA, Rosetta, NavCam – CC BY-SA IGO 3.0)

„Wenn der Komet 67P im August dieses Jahres seinen kleinsten Abstand zur Sonne erreicht, wird er sich stark aufheizen. Dies gilt jedoch nicht für die Hapi-Region, die in dieser Zeit im Dunkeln bleibt und eine Art Polarnacht durchlebt“, so Sonia Fornasier. „Erst ab dem März 2016 wird das Sonnenlicht wieder auf die Hapi-Region treffen. Es ist deshalb durchaus denkbar, dass während vergangener Umläufe um die Sonne oberflächliches Eis in dieser Region überdauern konnte. Dies könnte der Grund sein, warum Hapi noch genug ‚Reserven‘ hat, um das Aktivitätsfeuerwerk, das wir in den vergangenen Monaten beobachten konnten, zu speisen.“

Die Suche nach dem Kometenlander Philae
Neben der Erforschung des Kometen 67P ist die Raumsonde Rosetta seit dem 12. März 2015 zudem darum bemüht, einen erneuten Kontakt mit dem Kometenlander Philae herzustellen (Raumfahrer.net berichtete). Zunächst sollen bis zum 20. März insgesamt 11 Versuche einer Kontaktaufnahme durchgeführt werden. Diese Versuche verliefen bisher jedoch erfolglos.

Allerdings, so das für die Planung dieser Kommunikationsfenster zuständige Team der ESA, müsste schon sehr viel Glück im Spiel sein , wenn bereits in den kommenden Tagen wirklich ein Signal von dem Lander zu empfangen wäre. Eine deutlich realistischere Erfolgswahrscheinlichkeit ergibt sich dagegen erst in den Monaten Mai, Juni und Juli. Sollten die Kontaktversuche auch in der kommenden Woche ohne Erfolg bleiben, so sollen die entsprechenden Bemühungen trotzdem bereits im April fortgesetzt werden.

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