Aktuelle Messungen des Marsrovers Curiosity deuten darauf hin, dass es auf der Oberfläche des Roten Planeten flüssiges Wasser in Form einer Salzlauge geben könnte. Diese Sole bildet sich demzufolge, sobald der in der Marsatmosphäre befindliche Wasserdampf mit auf der Planetenoberfläche abgelagerten Perchlorat-Salzen in Kontakt tritt. Diese Salze senken den Gefrierpunkt des Wassers dabei so weit ab, dass statt Wassereis eine flüssige Salzlauge entsteht.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL, Universität Kopenhagen, Nature.
Der von der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebene Marsrover Curiosity landete am 6. August 2012 im Inneren des 154 Kilometer durchmessenden „Gale-Kraters“ und untersucht seitdem – entsprechend seinen wissenschaftlichen Zielsetzungen – unter anderem, ob der äußere Nachbarplanet der Erde einstmals Bedingungen aufwies, welche prinzipiell die Entstehung von primitiven Lebensformen begünstigt haben könnten.
Neben dem erst im Jahr 2014 erfolgten definitiven Nachweis von geringen Mengen an Methan und organischem Material (Raumfahrer.net berichtete) konnte dabei bereits im Frühjahr 2013 festgestellt werden, dass der Mars in der Frühzeit seiner Entwicklung tatsächlich über die für die Entstehung von Leben notwendigen Umweltbedingungen verfügte. Die weiteren Untersuchungen zeigten zudem, dass der Gale-Krater einstmals durch die langfristig erfolgte Einwirkung von flüssigen Wasser geformt wurde (Raumfahrer.net berichtete).
Nicht nur durch die Untersuchungen des Rovers Curiosity gilt es inzwischen als gesichert, dass sich auf der Oberfläche unseres Nachbarplaneten einstmals große Mengen an flüssigen Wasser befanden, welches dort zudem lange genug vorhanden war, um mit den Gesteinen der Marsoberfläche zu interagieren und diese dabei auch chemisch zu verändern. Aktuelle Studien gehen dabei von einer einstmals vorhandenen Wassermenge von mindestens 20 Millionen Kubikkilometern aus (Raumfahrer.net berichtete).
Zu dieser Zeit verfügte der Mars noch über eine dichtere und ‚wärmere‘ Atmosphäre, als dies in der Gegenwart der Fall ist. Aus bisher noch nicht vollständig verstandenen Gründen ‚verlor‘ der Mars jedoch vor mehr als drei Milliarden Jahren den Großteil dieser Atmosphäre. Seitdem – so die bisherige These – kann auf dem Mars aufgrund der dort mittlerweile gegebenen Atmosphären- und Temperaturbedingungen das dort immer noch vorhandene Wasser lediglich im festen oder im gasförmigen Aggregatzustand in Form von Wassereis oder von Wasserdampf auftreten.
Perchlorate + Wasserdampf = Flüssiges Salzwasser?
Ein kleiner ‚Trick der Natur‘ könnte jedoch dafür verantwortlich sein, dass auch trotz der derzeitigen Umweltbedingungen zumindestens zeitweilig flüssiges Wasser auf dem Mars – und dort direkt auf beziehungsweise unmittelbar unter der Oberfläche – vorhanden sein könnte. Hierfür verantwortlich könnten Perchlorat-Salze sein, welche von ihren Eigenschaften her stark hygroskopisch wirken.
Bei einem der in der Marsatmosphäre vorhandenen Spurengase handelt es sich um Wasserdampf, welcher dort mit einem Mengenanteil von durchschnittlich etwa 210 ppm vertreten ist. Dieser Wasserdampf könnte mit den auf beziehungsweise unmittelbar unter der Marsoberfläche konzentrierten Perchlorat-Salzen in Verbindung treten, wodurch der Gefrierpunkt des Wassers unter den üblichen Punkt abgesenkt wird. Statt einer festen Eisschicht könnte sich somit eine flüssige Salzlauge bilden.
Erste Indizien für einen derartigen Prozess ergaben sich bereits im Sommer 2008 im Rahmen der damaligen Marslander-Mission Phoenix der NASA (Raumfahrer.net berichtete). Wasser mit einem sehr hohen Anteil an Perchlorat-Salzen, so die an der Phoenix-Mission beteiligten Wissenschaftler, könnte auf dem Mars über einen sehr niedrigen Gefrierpunkt verfügen. Die Perchlorat-Salze könnten zu einem besonders intensiven Frostschutzeffekt beitragen und bei einer extrem hohem Beimischung noch bis zu einer Temperatur von minus 70 Grad Celsius das Vorhandensein von flüssigem Wasser ermöglichen.
Die diversen Lander- und Rovermissionen der NASA auf dem Mars haben in der Vergangenheit eine Vielzahl an Hinweisen darauf geliefert, dass Perchlorat-Salze offenbar in weiten Bereichen auf der Marsoberfläche vorhanden sind. Jetzt konnte auch der Rover Curiosity diese Salze eindeutig nachweisen. Die in den vergangenen Jahren mit der Wetterstation REMS – einem der zehn wissenschaftlichen Instrumente des Rovers – gewonnenen Daten zeigen zudem ergänzend zu diesem Perchlorat-Nachweis, dass im Bereich des Gale-Kraters bezüglich der Luftfeuchtigkeits- und Temperaturwerte zeitweise Bedingungen vorherrschen, welche die Bildung von stark salzhaltigen wässrigen Lösungen denkbar erscheinen lassen.
„Wir haben [im Bereich des Gale-Kraters] Calcium-Perchlorate im Boden entdeckt und unter den richtigen Voraussetzungen können diese Salze Wasser aus der Atmosphäre absorbieren“, so Morten Bo Madsen von der Universität Kopenhagen, einer der an der Curiosity-Mission beteiligten Wissenschaftler. „Diese Bedingungen herrschen dort speziell während der Wintermonate in der Nacht und unmittelbar nach Sonnenaufgang vor.“
In der Zeit nach dem Sonnenuntergang schlägt sich ein Teil der Luftfeuchtigkeit der Marsatmosphäre demzufolge in Form von Bodenfrost auf der Planetenoberfläche nieder, interagiert dort mit den hier befindlichen Calcium-Perchloraten und wird im Rahmen dieses Prozesses durch den hohen Salzanteil zu ‚flüssigem Wasser‘. Erst mit dem erneuten Tagesanbruch und den dabei auftretenden höheren Temperaturen ‚verflüchtigt‘ sich das Wasser wieder und gelangt erneut als Wasserdampf in die Atmosphäre.
„Aufgrund der Porosität des Untergrundes kann dieses flüssige Wasser in die Tiefe sickern und sich dort weiter ausbreiten“, so Morten Bo Madsen weiter. Die Messungen von Curiosity zeigten in den obersten 15 Zentimetern der Marsoberfläche verschiedene Auffälligkeiten, welche diese Hypothese eines aktiven Wasserkreislaufs untermauern. Allerdings sind weitere Analysen und Datenauswertungen notwendig, um die hierbei aktiven Prozesse zu entschlüsseln und zu bewerten.
Derzeitiges Leben auf dem Mars?
Flüssiges Wasser ist nach dem derzeitigen Wissensstand eine der unabdingbaren Grundvoraussetzungen dafür, dass sich Leben zunächst bilden, dann erhalten und anschließend weiter entwickeln kann. Trotzdem darf die jetzt erfolgte Entdeckung des Marsrovers Curiosity nicht überbewertet werden.
„Wir haben diese Wassersohlen nicht direkt gemessen, sondern aufgrund der bisherigen Daten lediglich die Wahrscheinlichkeit von deren Existenz kalkuliert“, so Dr. Ashwin Vasavada, der Projektwissenschaftler der Curiosity-Mission vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien.
Selbst wenn es zutreffen sollte, dass sich zeitweise auf beziehungsweise unmittelbar unter der Oberfläche in den äquatorialen Breiten unseres Nachbarplaneten flüssiges Wasser befindet, so wäre der Mars doch immer noch ein denkbar ungeeigneter Ort für selbst extremophile Lebensformen. Die derzeitigen Umweltbedingungen auf dem Mars – zum Beispiel die hohen Werte der kosmischen Strahlung, die selbst in den Sommermonaten niedrigen Temperaturen und die immer noch geringe Wassermenge dieses eher ‚bescheidenen‘ Wasserkreislaufs – sind nicht geeignet, um zumindest im Bereich der obersten Bodenschichten dauerhaft existierendes Leben zu beherbergen.
Diese hier nur kurz vorgestellten Erkenntnisse der Curiosity-Mission wurden von F. Javier Martin-Torres et al. unter dem Titel „Transient liquid water and water activity at Gale Crater on Mars“ kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Geoscience publiziert.
Bis zum heutigen Tag, dem Sol 956 seiner Mission, hat der Marsrover Curiosity mehr als 10.150 Meter auf der Marsoberfläche zurückgelegt. Dabei hat der Rover mit seinen Kamerasystemen inzwischen 230.578 Bilder aufgenommen und an das Roverkontrollzentrum des Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien übermittelt. Diese Aufnahmen sind für die interessierte Öffentlichkeit auf einer speziellen Internetseite des JPL einsehbar.
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Fachartikel von F. Javier Martin-Torres et al.:
- Transient liquid water and water activity at Gale Crater on Mars (Abstract, engl.)