Am 6. August 2013 jährt sich zum ersten Mal der Tag, an dem der Marsrover Curiosity auf unserem Nachbarplaneten landete. Seitdem hat der Rover eine große Menge an Daten und Bildern übermittelt, mit deren Auswertung die an der Mission beteiligten Wissenschaftler noch viel Jahre verbringen werden. Welche Erkenntnisse wurden dabei aber bereits jetzt gewonnen?
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL, The Planetary Society, Unmanned Spaceflight. Vertont von Peter Rittinger.
In den Morgenstunden des 6. August 2012 verfolgten nicht nur mehrere hundert Ingenieure und Wissenschaftler der NASA voller Spannung, wie der neueste, größte, modernste und mit einem Budget von rund 2,5 Milliarden US-Dollar zugleich auch teuerste Marsrover der US-amerikanischen Weltraumbehörde, der Rover Curiosity, im Rahmen seines Landemanövers zunächst die Marsatmosphäre durchdrang und schließlich erfolgreich auf der Oberfläche unseres äußeren Nachbarplaneten aufsetzte. Vielmehr wurde dieses Ereignis via Internet zugleich auch weltweit von mehreren Zehntausend Weltraumenthusiasten sozusagen „Live“ begleitet.
Während der folgenden zwölf Monaten überbrückte der Rover bisher eine Entfernung von über 1.700 Metern auf der Marsoberfläche und untersuchte dabei im Rahmen seiner wissenschaftlichen Zielsetzung einen kleinen Teilbereich seines Landegebietes ausführlich mit seinen zehn wissenschaftlichen Instrumenten.
Bis zum heutigen Tag wurden dabei über 170 Gigabits an Daten gesammelt und an das am Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien beheimatete Roverkontrollzentrum übermittelt. Alleine das ChemCam-Instrument – ein aus einem Hochleistungslaser, drei Spektrografen und einem Schmidt-Cassegrain-Teleskop bestehender Instrumentenkomplex – „feuerte“ während des letzten Jahres über 75.000 Laserimpulse auf insgesamt etwa 2.000 unterschiedliche Ziele auf der Marsoberfläche ab. Die 17 Kameras, mit denen der Rover ausgestattet ist, fertigten in der gleichen Zeit über 72.000 Aufnahmen von der Marsoberfläche an, von denen bisher über 36.000 Aufnahmen in einer sehr hohen Auflösung vorliegen.
Mit der Analyse und der Interpretation der im Rahmen dieser Arbeiten gewonnenen Daten sind gegenwärtig weltweit mehrere hundert Wissenschaftler intensiv beschäftigt. Welche neuen Erkenntnisse konnten die Marsforscher dabei bisher über unseren Nachbarplaneten gewinnen?
Was haben wir bisher gelernt?
Die übergeordnete Fragestellung, welche Curiosity beantworten soll, lautet in einem Satz zusammengefasst: „Verfügte der Mars einstmals über Umweltbedingungen, welche die Entstehung von primitiven Lebensformen begünstigt haben könnten“.
Diese Frage konnte durch die Auswertung der gesammelten Daten bereits im März 2013 positiv beantwortet werden. Die Analyse von einer im Rahmen einer Bohrung entnommen Gesteinsprobe durch die Instrumente SAM und CheMin ergab, dass die Gesteine in der untersuchten Region Schwefel, Stickstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Phosphor und Kohlenstoff enthalten, welche als die „Grundbausteine des Lebens“ gelten. Diese Stoffe sind nach der allgemein anerkannten Meinung zwingend notwendig, damit sich im Rahmen eines komplexen Prozesses Leben bilden kann.
Ebenfalls notwendig für die Entstehung von Leben ist Wasser in flüssiger Form. Und auch dieses, so die Resultate von Curiosity, war früher einmal vorhanden. Im Bereich des Landegebietes floss demzufolge einstmals nahezu pH-neutrales Wasser, was die Entstehung von Leben in Kombination mit anderen Faktoren prinzipiell denkbar macht (Raumfahrer.net berichtete). Alleine diese Erkenntnis macht die Curiosity-Mission in Anbetracht der ursprünglichen Zielsetzung bereits nach dieser kurzen Einsatzzeit auf dem Mars zu einem Erfolg.
Noch früher im Missionsverlauf, nämlich bereits im September 2012, entdeckte Curiosity in der unmittelbaren Nähe zu seiner Landezone die Überreste eines uralten, bereits seit mehreren Milliarden Jahren ausgetrockneten Flussbettes. Hier dokumentierten die Kameras des Rovers abgeschliffene Kieselsteine, deren Größe und Form sich am besten dadurch erklären lässt, dass diese Steine sowohl über erhebliche Distanzen als auch über längere Zeiträume hinweg von fließendem Wasser transportiert wurden. Die Gestalt der Kieselsteine vermittelte den Geologen zudem eine ungefähre Vorstellung von der Fließgeschwindigkeit des Gewässers und von dessen Tiefe. Demzufolge hat sich das Wasser mit einer Geschwindigkeit von etwa 0,9 Metern pro Sekunde bewegt, wobei es eine Tiefe von mindestens 10 Zentimetern bis hin zu einem Meter erreicht haben muss (Raumfahrer.net berichtete).
Eine weitere bereits jetzt verfügbare Erkenntnis bezieht sich auf die zukünftige Erforschung des Mars durch Astronauten und auf die Strahlenbelastung, welcher diese dabei ausgesetzt sein werden. Zur Gewinnung der hierfür benötigten Daten wurde der Strahlungsdetektor RAD genutzt, welcher als einziges Instrument bereits während des Fluges zum Mars aktiv war. Auf dem Weg zu unserem Nachbarplaneten und während des Aufenthaltes auf dessen Oberfläche, so das Ergebnis der bisherigen Datenanalysen, werden zukünftige Marsbesucher einer hohen Dosis an kosmischer Strahlung ausgesetzt sein, welche zwar in Bezug auf das daraus resultierende Risiko einer Krebserkrankung nicht unkritisch, aber trotzdem noch vertretbar ausfällt. Trotzdem, so die Wissenschaftler, wäre es wünschenswert, bei einer zukünftigen bemannten Marsmission das zu verwendende Raumschiff mit einem entsprechend ausgelegten Schutz vor der Strahlung zu versehen (Raumfahrer.net berichtete).
Ein weiteres Resultat bezieht sich auf die aktuelle Zusammensetzung der Marsatmosphäre und dabei speziell auf die erstmals im Jahr 2003 detektieren Methanvorkommen, welche laut diesen und späteren Messungen zu bestimmten Jahreszeiten und an bestimmten Regionen eine Konzentration von bis zu etwa 10,5 ppb erreichen sollen. Eine erste Suche nach Methanmolekülen durch das SAM-Instrument von Curiosity verlief im Herbst 2012 negativ (Raumfahrer.net berichtete). Trotz seitdem mehrfach wiederholter Messungen konnte das Instrument bisher immer noch kein Methan in der Marsatmosphäre nachweisen. Trotzdem soll die Suche nach diesem Spurengas, welches – sofern vorhanden – eventuell biologischen Ursprungs sein könnte, auch in Zukunft fortgesetzt werden.
Des weiteren hat die Wetterstation REMS seit der Landung auf dem Mars trotz eines bei dem Landemanövers beschädigten Sensors für die Vermessung der Windrichtungen und Windgeschwindigkeiten kontinuierlich Daten über die aktuelle Wetterlage im Bereich des Operationsgebietes gesammelt (Raumfahrer.net berichtete). Neben den Luft- und Bodentemperaturen zu bestimmten Tageszeiten beinhalten diese Daten auch den gegenwärtig vorherrschenden Luftdruck. Die so gewonnenen Werte dienen den Marsforschern in Kombination mit den Daten der verschiedenen derzeit aktiven Marsorbitern dazu, ein besseres Verständnis über die Meteorologie des Mars und über das dort herrschende Klima zu gewinnen.
Mit dem DAN-Instrument wird dagegen regelmäßig die Menge und Verteilung von wasserstoffhaltigen Mineralen im Marsboden ermittelt. Erste Ergebnisse führten dabei bisher offenbar zu dem Schluss, dass sich im Operationsgebiet deutlich weniger wasserhaltige Minerale befinden als ursprünglich angenommen.
Weitere Erkenntnisse beziehen sich auch die allgemeine Geologie und Geochemie der bisher untersuchten Regionen. Im Rahmen ihrer Analysen identifizierten die an der Curiosity-Mission beteiligten Wissenschaftler bisher eine in diesem Umfang nicht erwartete Vielfalt an unterschiedlichen Gesteinen. Der Rover entdeckte während des letzten Jahres eine Unmenge an in Bezug auf Größe und Form unterschiedlich gearteten Sandkörnern, verschiedene vulkanische Gesteine, Sandsteinablagerungen und diverse Gesteinsaufschlüsse, welche mit Venen durchzogen sind, die sich wiederrum aus unterschiedlichen Mineralen zusammensetzten. Die sich aus der Zusammensetzung und Gestalt der untersuchten Objekte ergebenden Eigenschaften bieten den Planetologen tiefreichende Einblicke in die offensichtlich „feuchte Vergangenheit“ dieser Marsregion.
Weitere Untersuchungen und noch viel mehr Zeit
Erst durch weitere Messungen und noch eingehendere – und somit zeitaufwändigere – Analysen werden diese einzelnen Bausteine in Zukunft zu einem noch umfassenderen Gesamtbild über die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte unseres Nachbarpalneten zusammengesetzt werden können. Bereits jetzt ist klar, dass alleine die Analysen der bisher gewonnenen Daten die Marsforscher noch über viele Jahre hinweg beschäftigen werden. Und mit jeder Fahrt, welche der Rover absolviert, und mit jeder damit einhergehenden Messung steigt die auszuwertende Menge an Daten weiter an.
Derzeit befindet sich Curiosity auf dem Weg zu dem im Zentrum des Gale-Kraters, so der Name des Landegebietes, gelegenen Berges Aeolis Mons. Nach einer Fahrt über derzeit noch etwa acht Kilometer wird der Rover laut den aktuellen Planungen in etwa 12 Monaten den Randbereich dieses etwa 5,5 Kilometer hohen Zentralberges erreichen. Anschließend soll Curiosity einem der dort befindlichen, tief eingeschnittenen Täler folgen und mit seinen „Aufstieg“ auf diesen Berg beginnen. Die diversen Bildaufnahmen des Aeolis Mons zeigen bereits jetzt, dass sich dieser Berg aus diversen geschichteten Sedimentablagerungen zusammensetzt, welche laut den spektroskopischen Messungen der verschiedenen Marsorbiter Tonminerale und verschiedene wasserhaltige Sulfate beinhalten.
Im Rahmen eine langsamen „Besteigung“ dieses Berges, welcher aufgrund seiner geschichteten Ablagerungen entfernt an den Grand Canyon im US-Bundesstaat Arizona erinnert, wird Curiosity hier auf einer Strecke von nur wenigen Kilometern auf einen Schlag gleich mehrere Milliarden Jahre der geologischen Geschichte des Mars erkunden können.
Die damit verbundenen Analysen werden vermutlich mehrere Jahre andauern und das Wissen der Menschheit um die Entwicklungsgeschichte des Mars immens erhöhen. Dank seiner Energiequelle, einem Radioisotopengenerator, wird Curiosity laut den aktuellen Prognosen noch für mindestens weitere zehn Jahre über genügend Energie verfügen, um seine Forschungsmission effizient fortzusetzen. Obwohl die Primärmission des Rovers anfänglich auf lediglich zwei Jahre ausgelegt war gilt es bereits jetzt als sicher, dass die Mission trotz der dabei auflaufenden zusätzlichen Kosten von jährlich etwa 60 Millionen US-Dollar auf unbestimmte Zeit verlängert wird.
Der exakte zukünftige Verlauf der Mission kann dabei derzeit noch nicht einmal von den direkt in die Mission involvierten Mitarbeitern mit hinreichender Genauigkeit benannt werden. „Diese Mission ist getrieben von den aktuellen Entdeckungen“, so John Grotzinger, der verantwortliche Missionsmanager des JPL. Neue Beobachtungen oder Erkenntnisse können jederzeit zu einem Abweichen von dem ursprünglichen Plan führen.
Eines jedoch dürfte sicher sein: „Die Radspuren, welche dieser Rover heute auf dem Mars hinterlässt sind die Basis für die Fußabdrücke zukünftiger Astronauten auf dem Mars“, so Charles Bolden, der Administrator der NASA.
Bis zum heutigen Tag, dem „Sol“ 355 seiner Mission, hat der Marsrover Curiosity eine Distanz von über 1.700 Metern auf der Oberfläche unseres Nachbarplaneten zurückgelegt. Die bisher letzte Fahrt erfolgte am gestrigen Tag und führte über eine Distanz von etwa 57 Metern.
Seit dem Erreichen des Mars haben die Kamerasysteme von Curiosity 72.283 Bilder aufgenommen und an das Roverkontrollzentrum des Jet Propulsion Laboratory (JPL) in Pasadena/Kalifornien übermittelt. Diese Aufnahmen sind für die interessierte Öffentlichkeit auf einer speziellen Internetseite des JPL einsehbar.
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